
Der Wirbel um die Dienstverlängerung des Klagenfurter Magistratsdirektors Peter Jost über sein Pensionsantrittsalter hinaus schlägt weiter hohe Wellen. Wie berichtet, hat Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten) Jost über dessen Pensionsalter von 65 Jahren, das er im Herbst 2023 erreicht, bis mindestens 31. Dezember 2025 verlängert. Begründung. „Gefahr im Verzug.“ Ohne Jost stehe der innere Dienst führungslos da. Scheider wird diesbezüglich der Vorhalt gemacht, in seiner mittlerweile knapp 21 monatigen Amtszeit keine Veranlassung getroffen zu haben, einen Nachfolger Josts aufzubauen.
Brisant: Scheider setzte zur Verlängerung Josts den Notfallparagrafen (§ 73) des Klagenfurter Stadtrechts ein, um, wie er sagte, Schaden von der Stadt abzuwenden. Denn, so die Erklärung des Bürgermeisters: Jost habe ihm von einem auf den anderen Tag eröffnet, als Magistratsdirektor hinschmeißen zu wollen. Der „Magi“, wie Jost intern genannt wird, habe dem Bürgermeister in einem ungewöhnlich emotionalen Brief dargelegt, dass er es nicht einsehe, dass langgediente Mitarbeiter Kritik über sich ergehen lassen müssten, wenn sie über die Pension hinaus für die Stadt tätig bleiben wollen. Vor dem Brief Josts an Scheider war bekannt geworden, dass drei Stadtmitarbeiter ihren Dienst über ihre Pension hinaus verlängern wollten. Dies war jedoch gescheitert, da Personalreferent Scheider für diese vergleichsweise teure Personalkosten-Entscheidung keine Mehrheit bekommen hätte.
Liesnig: Causa Jost als Dynamit für Arbeitsgemeinschaft
Doch die mittlerweile umstrittene Begründung Scheiders, dass „Gefahr in Verzug“ im Spiel gewesen sei und er, Scheider, Jost hätte verlängern müssen, wollen die anderen Parteien nicht mehr glauben. In einer heutigen Pressekonferenz stellten sich SPÖ, FPÖ und Neos im Schulterschluss den anwesenden Journalisten. Vizebürgermeister Philipp Liesnig (SPÖ) machte unverhohlen die Andeutung, dass die Arbeitsgemeinschaft zwischen Scheiders Team Kärnten, der SPÖ und der ÖVP aufgrund der „autokratischen“ Vorgangsweise Scheiders auflösungsreif sei. „Das ist der größte demokratiepolitische Skandal der jüngeren Geschichte Klagenfurts“, polterte Liesnig. „Und dann auch noch die Vermessenheit, dass man glaubt, diese Aktion über die Weihnachtsfeiertage durchziehen zu können.“
Skorianz: „Schwerer Missbrauch“ mit möglicher „strafrechtlicher Konsequenz“
FPÖ-Klubobmann Andreas Skorianz machte deutlich, dass „es besser wäre, wenn der ,Magi‘ den Hut nehmen würde“. Skorianz sagte, dass die Vertragsbedienstetenordnung, in deren Paragraf 36 geregelt sei, dass jeder Bedienstete mit 65 in Pension zu gehen habe, „für jeden gleich gilt. Da gibt es keine Ausnahme“. Wenn der Bürgermeister „davon ausgehen muss, dass er keine Mehrheit bekommt, Jost zu verlängern, kann er nicht den Gemeinderat umgehen, denn das wäre ein schwerer Missbrauch des Notfallparagrafen“. Womöglich, sagt Skorianz, „mit strafrechtlicher Konsequenz“.
Juvan: „Klagenfurt droht, zum Selbstbedienungsladen zu werden“
Liesnig erkärte, dass „gar kein Notfall vorliege. Man kann Gemeinderatssitzungen mit Vorlauf von 24 Stunden einberufen. Und es droht gar kein Schaden, da es eine Vertretungsregelung gibt.“ Damit meint Liesnig, dass der dienstälteste Jurist des Magistrats für Jost einspringe, wenn dieser seinen Dienst nicht mehr versehen könne oder wolle. Neos-Chef Janos Juvan betonte einmal mehr, dass die Stadt „vor einem wild gewordenen Bürgermeister zu schützen“ sei. „Klagenfurt droht, zum größten Selbstbedienungsladen in diesem Land zu werden. Diese Sache stinkt zum Himmel.“ Juvan will eine Reihe von Fragen von Scheider beantwortet haben: „Hat Jost (im Zuge seiner Ankündigung, in Pension zu gehen, Anm.) einen Pensionsantrag gestellt? Ist ein Weiterarbeiten über das Pensionsantrittsalter hinaus überhaupt möglich?“ Juvan wirft Scheider auch vor, den Notfallparagrafen „inflationär anzuwenden“. Und wird von der Tagesordnung des morgigen Gemeinderats bestärkt: Dort sind Stand letzte Woche 14 Paragraf-73-Entscheidungen Scheiders aufgelistet.
Jonke: „Scheider hat verhindert, dass die Stadt im Chaos versinkt“
Zur massiven Kritik von SPÖ, FPÖ und Neos wegen des Jost-Alleingangs sagt Scheider-Büroleiter Patrick Jonke, dass Scheider entscheiden habe müssen. „Da sieht man, dass der Bürgermeister verhindert hat, dass die Stadt im Chaos versinkt.“ Scheider „hat großes demokratiepolitisches Verständnis.“ Zum Vorhalt, dass Scheider seiner Vorgängerin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) immer wieder einen autokratischen Führungsstil vorgeworfen habe und nun selbst per Notparagrafen regiert, sagt Jonke, dass man „Scheider Entscheidungsschwäche vorwirft. Entscheidet er aber dann einmal, regt man sich auch auf. Irgendwann kennt sich keiner mehr aus“.
Verlängerung Josts rückabwickeln
Liesnig beharrt darauf, dass Scheider die Verlängerung Josts „umgehend rückabwickeln“ müsse und alle an der Entscheidund beteiligten „Organe mit aller Konsequenz zur Verantwortung“ gezogen würden. Skorianz pocht auch auf die Rückabwicklung, „sonst wird es ungemütlich werden“.
Grüne: „Notfallparagraf vergewaltigt“
Auch die nicht anwesenden Grünen, die sich wegen der Vorwahlkampfzeit nicht an der Pressekonferenz beteiligen wollten, sind „für die Rückabwicklung“. Klubchef Philipp Smole kritisiert massiv, „dass wir diese ganze Sache schon bei der Bestellung des Kontrollamtsdirektors hatten“. Bei dieser Entscheidung war detto sehr lange ein Nachfolger für den ausgeschiedenen Kontrollamtsdirektor Johannes Rom gesucht worden. Dieser steht erst seit ein paar Tagen fest. Smole: „Aus dieser Causa hat man aber offensichtlich nichts gelernt. Man hat es verabsäumt, einen Nachfolger für Jost zu suchen.“ Sollte Jost „ein Ultimatum an Scheider gestellt haben, ist aber ohnehin das ganze Vertrauen zerstört. Der Magistratsdirektor ist zudem in einem Interessenkonflikt: Er soll Scheider beraten, ist aber in dieser Sache Bestandteil des Spiels“, sieht Smole den Deal zwischen Scheider und Jost überaus kritisch. „Hier wurde der Notfallparagraf vergewaltigt.“
Wollte Jost gar nicht gehen?
Auf die Frage eines Journalisten, ob die am Podium anwesenden Parteienvertreter innerhalb des letzten Jahres, in dem es immer wieder Gerüchte gab, dass Jost von sich aus über seine Pension hinweg als Magistratsdirektor im Rathaus bleiben wolle, Indizien erlebt hätten, die dieses Gerücht erhärten würden, sagten Skorianz, Liesnig und Juvan einmütig: „Ja.“ Damit käme Scheiders Argumentation, Jost habe hinschmeißen wollen und er hätte ihn verlängern müssen, um Schaden von der Stadt abzuwenden, unter Druck. Denn dann läge die Überlegung nahe, dass Jost gar nicht gehen wollte.
Über 70-Jährige Mitarbeiterin im Bevölkerungswesen „darf bleiben so lange sie will“
Laut Skorianz bestünde die Vermutung, dass die drei eingangs erwähnten (gescheiterten) Weiterbeschäftigungen als Präzedenzfälle für Josts Verlängerung herhalten hätten sollen. Ebenso habe es im Jahr 2016 schon einmal eine Pensionsaffäre in Klagenfurt gegeben. Im Zuge einer Mediapartizan-Recherche wurde nun noch offenbar, dass die drei erwähnten gescheiterten Verlängerungen keine Einzelfälle sind: Im städtischen Bevölkerungwesen arbeitet – von Jonke bestätigt – eine mittlerweile über 70-jährige Dame. „Die kann bleiben so lang sie will“, sagt Jonke. Bei der Pensionsangelegenheit dieser Dame sei der Stadt laut Jonke „während der Suspendierung Josts ein Fehler“ passiert, weshalb nur sie selbst bestimmen könne, wann sie zu arbeiten aufhört. Ob sie so lange über ihr Pensionsalter hinaus Aktivgehalt beziehen könne, bis sie vom Stuhl falle? „Ja“, sagt Jonke.
„Causa Jost II“
Juvan sieht eine „Causa Jost II“: Der Magistratsdirektor war während Scheiders erster Amtszeit (2009 bis 2015) wegen einer letztlich nicht schlagend gewordenen Zulagen-Affäre suspendiert worden, stritt sich aber wieder zurück in den Sessel des Magistratsdirektors. Beobachter schätzen Josts Machtbasis auch aufgrund dieser Rückkehr in den Magistrat als außerordentlich gefestigt ein.
„Causa Jost I“: Einblick in vertrauliche Magistratsakten
In dieser Auseinandersetzung wurde nicht mit Florett, sondern mit dem Vorschlaghammer gekämpft. Der Vorsitzenden der Disziplinarkommission wurde ein Reigen an Vorwürfen gemacht, vor allem jener, dass sie von Jost abhängig gewesen sei und diese Befangenheit nicht gemeldet hätte. Sie wurde aber von der Disziplinarkommission aller Vorwürfe „freigesprochen“:

Wie heiß umfehdet die Causa damals war, zeigt auch ein Dokument aus vertraulichen Unterlagen, in dem es um angebliche Stornierungen von „Wochenbelegen“, offenbar Straftickets, durch Jost gegangen sein soll. Diese „Wochenbelege“ der Group4 soll der damalige (und heutige) Bürgermeister Scheider der in Rede stehenden Mitarbeiterin mit der Frage in die Hand gedrückt haben, ob sie eine Disziplinaranzeige machen könne? An Jost blieb aber nichts kleben. Der Arbeitsgerichtsprozess endete in einem Vergleich.

Jost nun offenbar ohne Mehrheit im Gemeinderat
Bleibt die Frage, ob ein Magistratsdirektor, der den Rückhalt der Mehrheit im Gemeinderat nun offenbar nicht mehr hat, überhaupt noch bleiben sollte? Rechnet man die Mandate der an der Pressekonferenz teilnehmenden Parteien hoch, wären 23 Gemeinderäte gegen Jost (auch die Grünen – vier Mandate – sind gegen eine Verlängerung). Nur 18 (Team Kärnten und ÖVP) wären für seinen Verbleib über die Pension hinaus.
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Foto(s): Eigen
Fragen über Fragen:
Was denken sich eigentlich die hunderten Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die täglich ihrer Arbeit mit Freude und Engagement nachgehen? Wie hoch ist das Ausmaß der inneren Kündigungen? Wie hoch sind die geheimen Wünsche nach echter Veränderung? Und schlußendlich die Frage aller Fragen: Wer regiert diese Stadt?
Magistratsdirektor ist eine Raketenwissenschaft. Da muss man jemanden sicher 20 Jahre lang einschulen.
Bekommt der Neue dann auch gleich 320.000 Euro Jahresgage ( wie in der Krone nachzulesen)?