Gemeindeaufsicht: Scheider hätte Anwalt in “Causa Jost” nicht beauftragen dürfen

Christian Scheider (c) Gert Eggenberger/APA
Christian Scheider (c) Gert Eggenberger/APA

Ganz am Anfang steht ein brisanter Aktenvermerk: Einer Mitarbeiterin im Rechnungswesen der Stadt Klagenfurt scheint eine Honorarnote einer bekannten steirischen Anwaltskanzlei nicht ganz koscher zu sein. Sie schreibt: “Wie die rechnerische und sachliche Richtigkeit dieser Rechnung bestätigt werden kann, erschließt sich (…) der Abteilung Rechnungswesen nicht!” Sie ersucht “um Prüfung, ob die Vergabe dieser Leistungen und nunmehr vorliegende Rechnung im Einklang mit dem § 69 Ktn. Allg. Gemeindeordnung (…) ist!” Anstatt eines Fragezeichens setzt sie ein Rufzeichen an das Satzende.

Hinter dem Paragrafen verbirgt sich nicht weniger als die gesetzliche Regelung, in welchen Fällen ein Kärntner Bürgermeister Rechtsanwälte beauftragen darf. Diese werden seit 2023 taxativ aufgezählt. Doch dazu später.

Rechnungswesen wird stutzig: Am 24. November 2024 regt das Rechnungswesen der Stadt an, die Rechnung einer der beiden Kanzleien auf Gesetzeskonformität zu prüfen.

Im Visier der Mitarbeiterin ist die Honorarnote “24/2189” vom 30. September 2024 in der Höhe von über 97.000 Euro. Alle hier angegebenen Werte verstehen sich brutto. Die Note ist eine aus einem Konglomerat an Anwaltsrechnungen, die in Zusammenhang mit der “Causa Jost II” ins Rathaus Klagenfurt flattern und von denen nun ein Teil noch Folgen haben könnte.

Gegen Gemeindeordnung verstoßen

Wie die Juristen der Kärntner Gemeindeaufsicht in einer Stellungnahme vom 17. Juni dieses Jahres nämlich festhalten, hätte Scheider Anwaltsleistungen von 53.714,28 Euro nicht beauftragen dürfen. Die 11-seitige Stellungnahme des Landes war aufgrund einer Aufsichtsbeschwerde der SPÖ Klagenfurt auf Basis von Recherchen von Mediapartizan.at entstanden. Darin wird festgehalten, dass Scheider mit der alleinigen Beauftragung eines Anwalts in Höhe besagter fast 54.000 Euro gegen Paragraf 69 der Kärntner Gemeindeordnung (K-AGO) verstoßen habe.

Die Vorgeschichte: Ende 2022 verlängert Scheider den damaligen Magistratsdirektor Peter Jost um zwei Jahre über dessen Regelpensionsalter hinaus. Und zwar mit dem sogenannten Notfallparagrafen – also im Alleingang und ohne Einbindung anderer Parteien. Daraufhin bringen SPÖ, FPÖ und Neos eine Beschwerde bei der Gemeindeaufsicht ein, die nach rund einem Jahr zu einer aufsehenerregenden Nichtig-Erklärung von Josts Dienstverlängerung führt. Scheider habe seine Befugnis durch die Inanspruchnahme des Notparagrafens überschritten. Jost muss in Pension.

Rien ne va plus

Doch während des besagten Jahres lässt Scheider einen berufenen Kärntner Anwalt für die Aufrechterhaltung seiner Not-Verlängerung Josts kämpfen. Der letztendlichen Nichterklärung waren nämlich zwei Bescheide der Gemeindeaufsicht vorausgegangen. Und schon diese erklärten, dass Scheiders Alleingang zu Unrecht erfolgt sei. Der Anwalt bekämpfte diese zwei Entscheidungen zunächst erfolgreich, in dem er der Aufsicht vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG) Formalfehler und falsch gewichtete Einschätzungen vorwarf. Bis es mit der Nichterklärung schlussendlich final Rien ne va plus hieß.

Nicht die gesamten der fast 320.000 Euro brutto, die Scheider per Unterschrift hat anweisen lassen, fallen unter den Titel “Causa Jost II”. Aber ein großer Teil der Rechnungen haben mit Scheiders Notfallakt und Josts darauf folgende Forderungen zu tun.

Offiziell stand der Kärntner Anwalt im Auftrag der Stadt, seine Rechnungen gingen aber direkt ans Bürgermeisterbüro. Alle Honorarnoten wurden von Bürgermeister Scheider mit Datum 17. Dezember 2024 abgezeichnet. Doch Scheider scheint die Rechnung ohne Gemeindeaufsicht gemacht zu haben: Nach K-AGO dürfen Bürgermeister Rechtsanwälte nämlich nur dann im Alleingang beauftragen, wenn eine Mahnklage (bis 5000 Euro) eingebracht werden soll; wenn die Stadt beklagte Partei ist; und bei Revisionen – sofern der Bürgermeister belangte Behörde ist. Nichts davon treffe laut Gemeindeaufsicht auf die fast 54.000 Euro an Anwaltsleistungen zu (siehe Seiten 9, 10, 11 des Dokuments am Textende).

Rechnungen “vier bis fünf Mal” umgeschrieben

Die Stadt ließ den Kärntner Anwalt Monate auf sein Honorar warten. In dieser Zeit waren die Rechnungen offenbar “vier bis fünf Mal” umzuschreiben, erklärt eine in das Geschehen involvierte Person, die anonym bleiben will. Schlussendlich übertrug die Stadt der eingangs erwähnten steirischen Juristenkanzlei, die in der “Causa Jost II” selbst großflächig für das Rathaus tätig war, die Überprüfung der 54.000-Euro-Honorare des Anwalts.

Die Steirer gaben die Summe Euro unter dem Titel “laufende Verwaltung” frei. Dieser Titel hätte die Abzeichnung der Rechnungen durch Scheider legitimiert. Doch dem schiebt die Gemeindeaufsicht nun einen Riegel vor: Das aufsichtsbehördliche Verfahren, in dem der Anwalt vor dem LVwG für Scheiders Notfallparagrafen gekämpft hatte, sei keineswegs als Akt der “laufenden Verwaltung” zu verstehen.

Bürgermeisterbüro: “Nicht nachvollziehbar”

Das Bürgermeisterbüro erklärt auf Anfrage, dass die Ausführungen der Gemeindeaufsicht “für die Stadt nicht nachvollziehbar” seien. Ein renommierter Verfassungsjurist “bestätigte vorab, dass die Beauftragung der Rechtsberatungen im Rahmen der laufenden Verwaltung erfolgen” könne. Zwischenzeitlich liege “der Stadt ein weiteres Rechtsgutachten” des “renommierten Verfassungsjuristen” Peter Bußjäger vor, “dass, die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes als Angelegenheit der laufenden Verwaltung grundsätzlich zulässig ist'”.

Die Stadt wolle “daher einen Bescheid von Seiten der Gemeindeaufsicht anfordern”, um diesen zu beeinspruchen. Offenbar ist ein Gerichtsgang nicht ausgeschlossen. Warum die Gemeindeaufsicht einen solchen Bescheid nicht schon ausgestellt habe, beantwortet Gemeindeabteilungschef Stefan Primosch so: “Das ist die übliche Vorgangsweise bei einer Aufsichtsbeschwerde.” Jetzt habe die Stadt die Möglichkeit, die Angelegenheit intern zu regeln. Es könne ja sein, “dass das Honorar vom Gemeinderat nachträglich genehmigt – oder vom Anwalt zurückgefordert” werde.

Regress gegen Scheider?

Und wenn der Gemeinderat keine der beiden Optionen ziehe? Auf die Frage, ob sich die Stadt bei Scheider schadlos halten könnte, sagt Primosch: “Es ist nichts auszuschließen.”

Und da wäre dann auch noch die Rechnung der steirischen Anwaltskanzlei, die der Rechnungswesen-Mitarbeiterin offenbar nicht ganz koscher war. In Bezug auf Paragraf 69 K-AGO.

1 Kommentar

  1. Wer bezahlt die “renommierten” Verfassungsjuristen in deren Gutachten fälschlicherweise steht, dass “die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes als Angelegenheit der laufenden Verwaltung grundsätzlich zulässig ist.”?

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