
Im November 2024 flattert eine Rechnung ins denkmalgeschützte Gebäude des Keutschacher Gemeindeamtes. Das schmucke Schloss Keutschach, in dem die Amtsstube residiert, wurde von Georg Nikolaus Graf Rosenberg errichtet. Im 17. Jahrhundert. Einer Zeit, in der in Europa vielerorts noch Frondienst herrscht: Einer schafft an, alle anderen parieren.
Die November-Rechnung stammt von einer Druckerei und hat die Nummer 240179. Sie macht nur 1998 Euro aus und würde nicht weiter ins Gewicht fallen, wenn in der idyllischen Seegemeinde im Vorjahr nicht ein ganz bestimmter rechtlicher Zustand in Kraft getreten wäre: Die 12tel-Regelung. Das deshalb, weil der Keutschacher Bürgermeister Gerhard Oleschko (Team Kärnten) vom Gemeinderat keine Zustimmung für den Budgetvoranschlag 2024 erhalten hat. Zur 12tel-Regelung enthalten die Paragrafen 10 des Kärntner Gemeinde-Haushaltsgesetzes (K-GHG) und 69 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung (K-AGO) einschlägige Bestimmungen.
Im K-GHG heißt es: “Ist zu Beginn des Finanzjahres der Voranschlag noch nicht beschlossen, so dürfen für dieses Finanzjahr neben den auf Grund der Gesetze oder aus bestehenden Verpflichtungen der Gemeinde fälligen Auszahlungen nur jene Auszahlungen geleistet werden, die bei sparsamster Wirtschaftsführung notwendig sind (…).” Bei den Ausgaben ist auf die laufende Verwaltung abzustellen: Die laufende Verwaltung “ist die Besorgung der regelmäßig vorkommenden Verwaltungsaufgaben der Gemeinde ohne weittragende finanzielle, wirtschaftliche, politische oder ähnliche Bedeutung”, so Paragraf 69 der K-AGO. Abgekürzt könnte man sagen, die Gemeinde darf nur das ausgeben, was im Vergleichsmonat des Vorjahres ausgegeben wurde.
“Herzlichen Glückwunsch – GERHARD OLESCHKO”
Mediapartizan.at liegt nun eine Vielzahl von sogenannten Ausgabeanweisungen vor, die zeigen, dass Oleschko trotz mannigfaltiger Hinweise seiner Finanzverwalterin geltende Gesetze möglicherweise nicht oder nur eingeschränkt befolgt hat.
Die 1998 Euro seien nämlich “keine laufende Verwaltung”, so die Finanzverwalterin in intern festgehaltenen Vermerken. Aber wofür sollen die rund 2000 Euro überhaupt ausgegeben werden? Antwort: Für Glückwunschkarten, mit denen Oleschko offenbar Gemeindebürger zum Geburtstag beschicken will. “Herzlichen Glückwunsch – GERHARD OLESCHKO, Bürgermeister der Gemeinde Keutschach”, soll offenbar drauf stehen. “Drei Sorten” zu je “350 Stück” wurden anscheinend bestellt. Mit sinnigen Sprüchen drauf, wie: “A) Du musst nicht immer einen Plan haben, ….”, oder: “B) Ein erfülltes Leben besteht nicht darin, …..”, oder aber: C) Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, …”.


Am Ende lässt Oleschko die knapp 2000 Euro für seine Glückwunschkarten anweisen.
“Keine Beschlüsse” vorhanden
Doch die akribisch arbeitende Finanzverwalterin, deren Aufgabe die Prüfung der Kosten ist, stellt – aus ihrer Sicht – noch Dutzende weitere mögliche Mängel in der Ausgabengebarung Oleschkos fest. Und notiert alle fein säuberlich mit. Bei einer niedrigen Rechnung (nur rund 500 Euro), die aber offenbar Teil größerer Gesamtinvestitionen ist, stellt sie fest, “dass eindeutig definierte Anforderungen wie folgt fehlen”: Das Budget für das Jahr 2024 sei nicht beschlossen worden. Und: “Es gibt keinen beschlossenen Finanzierungsplan.” Außerdem: Es handle sich um keine laufende Verwaltung und “es gibt keine Beschlüsse für dieses investive Einzelvorhaben”. Dabei geht es offenbar um Ausgaben für eine Asphaltfirma in Sachen Straßenbeleuchtung. Auch die Bedeckung sei nicht gegeben. Am gesamten Ausgabenkonto stünden rund 317.000 Euro. Das alles geht aus dem sogenannten Beharrungsvermerk hervor, der geschrieben wird, wenn von vorgesetzter Stelle, also dem Bürgermeister, auf die Zahlung bestanden wird.

Beharrung auch bei Dachdecker-Unternehmen
In dieser Tonart geht es weiter. Einem Dachdecker-Unternehmer werden während laufender 12tel-Regelung rund 4300 Euro überwiesen, obwohl es sich aus Sicht der Finanzverwalterin – wie schon vorher – um “keine laufende Verwaltung” gehandelt habe und auch “keine Angebote und Beschlüsse” vorlägen.

Gute 22.000 Euro gehen an eine Firma für Kinderspielgeräte und Gartenmöbel. Die Finanzverwalterin vermerkt auch auf dieser Ausgabeanweisung: “Kein Beschluss, teilweise Neuanschaffungen (…), keine Information erhalten f. d. Investitionen”. Dabei ging es offenbar um Geräte für das Sportzentrum Keutschach.

Oleschko: “Gefahr in Verzug”
Oleschko antwortet auf Anfrage, dass die Gemeinde finanziell gut dastehe. Das entspricht auch den Tatsachen, die Kommune verfügt als eine der wenigen Gemeinden Kärntens über Reserven. Zu den Vorwürfen, er hätte zigtausend Euro aufgrund der 12tel-Regelung womöglich nicht ausgeben dürfen, sagt Oleschko: “Ausnahmen von dieser Regelung sind gesetzlich vorgesehen, etwa bei Gefahr im Verzug, unabwendbarem Bedarf oder rechtlichen Verpflichtungen. Diese Ausnahmen wurden nur nach sorgfältiger Prüfung und im Rahmen der Gesetzeslage in Anspruch genommen.” Dem widersprechen jedoch die Beharrungsvermerke der Finanzverwalterin, wonach die Gelder nicht im Einklang mit der K-AGO und dem K-GHG gestanden sein sollen.
Roter Gemeinderat: “Geld gesetzwidrig ausgegeben”
Offenbar ist man auch im Kontrollausschuss der Gemeinde nicht gänzlich davon überzeugt, dass Oleschkos Ausgaben vollends rechtens gewesen sind: In der Sitzung des Gremiums vom Jänner 2025 erklärt ein roter Gemeinderat, dass Belege in einer Excel-Liste festgehalten werden sollen, “da gesetzwidrig Geld ausgegeben wurde, obwohl kein Budget vorhanden ist”.

Der Ausschuss legte eine “Budgetüberwachungsliste” an, um die Ausgaben der Gemeinde während der 12tel-Regelung zu kontrollieren. Aus dieser geht hervor, dass 2024 Investitionen in der Höhe von rund 732.000 Euro getätigt wurden. Es ist anzunehmen, dass nicht der Gesamtbetrag der 12tel-Regelung unterlag. Wie hoch die tatsächliche Summe war, die der Bürgermeister möglicherweise nicht hätte anweisen dürfen, prüft derzeit die Kärntner Gemeindeaufsicht. Zu den Ausgaben für die Straßenbeleuchtung sagt Oleschko, dass diese Maßnahmen “unaufschiebbar” gewesen seien, “da eine große Anzahl von Bürgerbeschwerden mit dem Hinweis auf massive Sicherheitsbedenken bei der Gemeinde eingelangt sind”.
Gemeindeaufsicht kommt nach Keutschach
Stefan Primosch, Chef der Kärntner Gemeindeaufsicht, lässt wie erwähnt gerade die gesamten Belege, die von der Finanzverwalterin beanstandet worden sind, prüfen. “Das Ergebnis werden wir schriftlich festhalten. Ich schicke aber sicher die rechtliche und wirtschaftliche Gemeindeaufsicht vor Ort”, sagt Primosch. Um das Ergebnis der Prüfung “mit dem Kontrollausschuss der Gemeinde abzugleichen”. Sollte gegen Gesetze verstoßen worden sein, “sind wir zu einer Anzeige verpflichtet, sonst begehen wir Amtsmissbrauch”. Laut Strafprozessordnung sind öffentliche Dienststellen und Behörden dazu bestimmt, den Verdacht einer Straftat, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fällt, anzuzeigen.
Der Kärntner Monat hatte in seiner aktuellen Ausgabe (5/2025) in der Story “Turmhohe Troubles” über die umstrittenen Ausgaben Oleschkos als Erster berichtet und etwa die Förderung eines Vereins, Werbeausgaben für eine Sportveranstaltung oder Anwaltshonorare, bei denen Oleschko gemäß Gesetz sehr wahrscheinlich Gemeinderatsbeschlüsse gebraucht hätte, durchleuchtet.
Finanzverwalterin fristlos entlassen
Wer jetzt denkt, die Finanzverwalterin hätte für ihre wache Art, Oleschko vor möglichen Gesetzesverstößen zu bewahren, eine Belobigung erhalten, der irrt: Oleschko hat die Mitarbeiterin wenige Tage nach Erscheinen der Story im Kärntner Monat fristlos entlassen. Das Warum beantwortet Oleschko so: “Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich zu Personalangelegenheiten grundsätzlich keine Stellung in der Öffentlichkeit nehme. Dies gebieten sowohl der Respekt als auch die grundlegende Höflichkeit im Umgang mit meinen MitarbeiterInnen.“
Die Finanzverwalterin ist mittlerweile jedenfalls die vierte Person aus der erweiterten Führungscrew, die Oleschko seit 2021 kalt gestellt hat.
Es ist der Job der Finanzverwalterin den Bürgermeiste auf etwaige Gesetzesverstöße hinzuweißen ansonsten wäre sie haftbar. Bei einer Überprüfung wäre sie ihren Job los und hätte ein Strafverfahren am Hals. Einen Bürgermeister passiert in der Regel nichts.