Stadtchef Scheider wusste schon im März von Überstunden-Thematik bei Berufsfeuerwehr

Wir schreiben den 22. Oktober 2024. Die Pressesprecherin von Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten) lässt um 12:52 Uhr eine denkwürdige Presseaussendung vom Stapel. Der Stadtchef habe in der Überstunden-Causa um Branddirektor Herbert Schifferl “durchgegriffen” und einen “Überstundenstopp verfügt”. Tage zuvor war in der “Krone” ein Bericht aufgetaucht, wonach Schifferl seit seinem Einstieg 110.000 Euro brutto an Überstunden verrechnet haben soll. Schifferl befindet sich seit Beginn seiner Anstellung – wie viele andere Feuerwehrleute auch – auf Offiziersausbildung und hatte durch eine kolportierte Doppelbelastung offenbar eine Menge umstrittener Überstunden angesammelt.

Scheider bezeichnet in Folge die von der “Krone” erhobene Summe von 110.000 Euro als “frei erfunden”. Es seien in drei Jahren 55.000 Euro brutto gewesen, die der Branddirektor an Überstunden geleistet habe, so der Stadtchef.

Aber Scheider erwähnt in dieser Presseaussendung noch etwas: Er sei “von der Personalabteilung am 16. September 2024 über die überbordende Stundenansammlungen (sic!) in Kenntnis gesetzt” worden.

Faksimile von Scheiders Presseaussendung

Überstundenthematik seit spätestens März bekannt

Auch gegenüber ORF-“Kärnten heute” erklärte Scheider am 22. Oktober, zu oder erst spät von der Überstunden-Causa gewusst zu haben. Scheider sagt auch hier, er habe “im September davon erfahren”. Wie Mediapartizan-Recherchen nun zeigen, hat Scheider aber schon viel früher zumindest über die generelle Überstundenthematik bei der Berufsfeuerwehr Bescheid gewusst. Und zwar spätestens am 4. März des heurigen Jahres.

Die Vorgeschichte: Am 24. Jänner 2024 um 18 Uhr treffen sich Gemeinderäte zur 19. Sitzung des Personalausschusses der Stadt Klagenfurt. Den Überstunden wird schon in dieser Sitzung ein eigener Tagesordnungspunkt gewidmet. Er nennt sich “Status Quo ‘Überstunden'”. Scheider ist als Personalreferent Mitglied der Sitzung. Der Obmann des Ausschusses ist Gemeinderat Martin Lemmerhofer (SPÖ). Lemmerhofer erklärt in der Sitzung, dass in der Vergangenheit immer öfters “über die Überstundenthematik gesprochen” wurde. Und dass das Gremium von der Personalabteilung eine Statistik “über die Entwicklung und die Kosten der Überstunden der Mitarbeiter” haben will.

Rechnungshofbericht ante portas

Hintergrund dieses Informationswunsches dürfte aber nicht notwendigerweise das Bedürfnis an Transparenz oder Aufklärung gewesen sein. Mitunter entsteht im Protokoll nämlich der Eindruck, das Gremium wollte die Überstundenstatistik unbedingt vor Erscheinen des Landesrechnungshof-Berichts über Löhne, Gehälter und Überstunden des Personals der Landeshauptstadt. Dieser Bericht ist übrigens in Kürze zu erwarten.

Dann trifft man sich an besagtem 4. März wieder. Es ist die 20. Sitzung des Personalausschusses. Auch Personalreferent Scheider ist wieder dabei. Im Tagesordnungspunkt 10, wieder betitelt mit “Status Quo ‘Überstunden'”, teilt Lemmerhofer mit, dass die Überstundenstatistik aller Abteilungen aus den Jahren 2018 bis 2022 bereits “mit dem letzten Protokoll” übermittelt wurde. Gemeint: Das Protokoll der Sitzung vom 24. Jänner. Das bedeutet, dass die Überstundenstatistik jedem Mitglied des Personalausschusses zugekommen sein muss. Und damit auch Scheider.

“Überstunden schon sehr hoch”

Lemmerhofer kommen die Überstunden “schon sehr hoch” vor, sagt er in der Sitzung. In der Überstundenhitparade führt – erraten: Die Berufsfeuerwehr. Deren Mitarbeiter, es arbeiten rund 80 Leute dort, kamen in den fünf Jahren auf 179.105 Überstunden. Die Abteilung mit den nächsthöheren Mehrstunden – Straßenbau und Verkehr – kommt auf weniger als ein Drittel davon: 48.520 Überstunden. Begründet wird die Überstundenanzahl bei der Berufsfeuerwehr unter anderem mit Bereitschaftsdiensten während der Corona-Pandemie.

Die Überstundenanzahl bei der Berufsfeuerwehr von 2018 bis 2022. Umgerechnet mehrere Millionen Euro.

Sechs Monate vorher schon in Kenntnis über Feuerwehr-Überstunden

Scheider musste als Personalreferent also spätestens ab 4. März über die Überstundenthematik bei der Feuerwehr Bescheid wissen. Warum hat Scheider nicht schon sechs Monate früher, im März 2024, “durchgegriffen”? Das Bürgermeisterbüro versprach eine Stellungnahme, sobald Scheider aus Sitzungen zurückkehre.

Das Gartenvideo

Sonderlich sensibilisiert dürfte Scheider die Überstundenthematik bei den Feuerwehrlern aber nicht haben. Im Protokoll der Sitzung vom 4. März widmet sich Scheider in seiner Wortmeldung nämlich lieber einem stadteigenen Gartenvideo. “Ich habe heute aus ganz Österreich Anrufe bekommen von Leuten”, sagt Scheider, “welche sich den Film gestern über unsere Abteilung, Stadtgartenamt angeschaut haben. Alle Rückmeldungen waren durchwegs positiv, die Leute waren alle begeistert von der Arbeit, welche unsere Mitarbeiter leisten (…).” Er finde es traurig, “dass man immer nur auf die Stunden schaut, aber den Menschen beziehungsweise die Leistung dahinter nicht sieht”.

Möglich, dass Scheider nicht explizit von den Überstunden des Branddirektors wusste. Aber er hätte es wissen können. Schließlich sind 179.000 Überstunden keine Größe, die man achtlos links liegen lässt. Umgerechnet sind es 86 Arbeitsjahre und Millionen an Überstundengeldern. Der Rechnungshofbericht über die Stadt Klagenfurt könnte also noch spannend werden.

Update: Scheider-Statement

“Der signifikante Anstieg bei der Berufsfeuerwehr in den Jahren 2020-2022 ist der Corona-Pandemie geschuldet. Die von der Bundesregierung vorgeschriebenen Maßnahmen haben dazu geführt, dass bei der Berufsfeuerwehr das Dienstsystem geändert werden musste, um den Betrieb aufrecht zu erhalten und somit die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten zu können. Das hat in der Zeit zu den Überstunden geführt.

Zudem ist zu erwähnen, dass die Zahl der Überstunden nach der Corona-Pandemie wieder sukzessive gesunken ist. Obwohl im August 2023 das Hochwasserereignis stattgefunden hat, sind die Überstunden im Vergleich zum Jahr davor um knapp 50% gesunken.

In Ihrem Bericht handelt es sich um eine Gesamtaufstellung aller Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr und [der Branddirektor] ist ein Teil des Ganzen. Dezidiert von den Überstunden [des Branddirektors] wurde Bürgermeister Scheider, wie auch von Ihnen berichtet, im September in Kenntnis gesetzt.

Bereits in der Vorperiode wurde der Wunsch geäußert, den Bewerberkreis zu erweitern. Dass sich auch jene für den Leitungsposten bei der Berufsfeuerwehr bewerben konnten, die die erforderliche Offiziersausbildung noch nicht haben. Dadurch ist diese Doppelbelastung für die Ausbildung in Graz und die Leitung entstanden.

Des Weiteren ist zu erwähnen, dass der Wechsel an der Spitze der Berufsfeuerwehr erst im ersten Quartal 2022 erfolgte.”

2 Kommentare

  1. Nicht nur der Bürgermeister wußte von den Überstunden, auch der Landesrechnungshof, nachdem dieser ja schon seit geraumer Zeit sämtliche Daten aus diesen Jahren besitzt.
    Aber die Berufsfeuerwehr wird einfach mit Samthandschuhen angefasst,und war/ist ein Selbstbedienungsladen.
    Zumal ja viele Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr ein zweites Standbein haben, und die Anzahl der Überstunden damit noch mehr zu hinterfragen ist.

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