Schulstartgeld: Wie Klagenfurts Stadtpolitik die Sozialabteilung für Inserate blechen lässt

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Nicht in der Schule, sondern vom Leben lernt man, nicht mehr Geld auszugeben als man hat. Diese Binsenweisheit gilt besonders für das Haushalten mit Steuergeldern. Was für jedermann klar ist, scheint für die Landeshauptstadt Klagenfurt aber nicht zu gelten.

Düstere Finanzprognose für die Stadt

Sollte es aber: Der Rechnungsabschluss der Stadt Klagenfurt für das Jahr 2021 brachte einen Abgang von 8,6 Millionen Euro. Für heuer wird von Stadtseite sogar mit einem Minus von 30 Millionen Euro gerechnet. Eine düstere Prognose.

Aus dem Wahlprogramm von Christian Scheider – seit Frühjahr 2021 zum zweiten Mal Klagenfurter Bürgermeister

Tausender scheinen locker zu sitzen

Doch beim Klagenfurter Schulstartgeld scheinen die Tausender ziemlich locker zu sitzen. Zumindest was dessen Bewerbung anbelangt. Das Schulstartgeld war zentraler Bestandteil von Christian Scheiders Wahlprogramm, mit dem dieser seine Erzkonkurrentin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) im Frühjahr 2021 aus dem Bürgermeistersessel beförderte. Die finanzielle Schul-Unterstützung für das kommende Unterrichtsjahr ist erst kürzlich im Klagenfurter Stadtsenat beschlossen worden. Sie wird sogar von 70 auf 100 Euro pro empfangsberechtigtem Kind erhöht. 30.000 Euro sollen insgesamt im Topf liegen.

Inserate trotz eigener Kanäle

Und jetzt beginnt die Geschichte: Obwohl die Stadt selbst über reichweitenstarke Kommunikationskanäle wie etwa Facebook (41.000 Follower) oder die Stadtzeitung (Auflage: 67.000 Stück – jeder Haushalt) verfügt und auf diesen Kanälen zielgenau über die Schulgeld-Aktion informieren könnte, soll offenbar auch noch eine Tageszeitung mit einem Inseratenauftrag bedacht werden. Was in Zeiten des Sparzwangs per se schon Fragen aufwirft, wird in diesem Fall noch rätselhafter: Denn nicht die für Inseratenschaltungen zuständige Abteilung für Stadtkommunikation schaltet die Werbung.

Sozialabteilung soll Werbung in der „Krone“ blechen

Stattdessen holt sich die Politik die 10.000 Euro für die Werbung von einer Abteilung, die das Geld eigentlich für bessere, nämlich soziale Zwecke einsetzen sollte: Von der Sozialabteilung. Das Inseratengeld soll der „Kronen Zeitung“ zufließen, wie aus vertraulichen Unterlagen hervorgeht, die Mediapartizan.at vorliegen. Im Verhältnis zum gesamten Schulstartgeld machen die Inseratenkosten demzufolge gute 33 Prozent aus. Da das Projekt ein Steckenpferd Scheiders ist, liegt die Vermutung nahe, dass es der Wunsch des Bürgermeisters selbst war, die 10.000 Euro aus dem Sozialbudget loszueisen.

Die Sozialabteilung soll es dem Vernehmen nach deshalb treffen, weil der Abteilung für Stadtkommunikation, die wie gesagt für die Magistrats-Inserate verantwortlich ist, schlicht das Geld fehlt. Ihr war im Rahmen der Finanzverhandlungen offenbar das Budget zusammengestrichen worden. Insgesamt soll sie jährlich knapp 162.000 Euro für Werbeschaltungen zur Verfügung haben.

Jonke: „Nicht jeder schaut in die Stadtzeitung“

Der Büroleiter des Bürgermeisters Patrick Jonke bestätigt, dass die Sozialabteilung die Kosten übernehmen soll. Womit aber lässt sich diese Ausgabe vor dem Hintergrund eigener reichweitenstarker Kanäle und dem Zwang zu sparen rechtfertigen? Jonke: „Wir müssen zu den Menschen hinaus und diese Informationen jedem zur Verfügung stellen.“ Auf den Einwand, dass die eigene Stadtzeitung jeden Haushalt in Klagenfurt zielgenau erreicht, entgegnet Jonke: „Nicht jeder schaut in die Stadtzeitung, wir müssen das so breit wie möglich kommunizieren.“

Impfkampagne ist eine Million Euro schwer: Stadtchef in der Jury

Apropos Inserate: Die Stadt erhielt vom Bund 957.000 Euro für eine lokale Corona-Kampagne zur Steigerung der Impfbereitschaft in der Bevölkerung. Bundesweit schüttet die Regierung 75 Millionen Euro aus. Villach beispielsweise erhielt 600.000 Euro. In Klagenfurt sollen drei Werbefirmen um einen diesbezüglichen Auftrag rittern. Es soll sich dabei um die Agenturen Bigbang, Synelution und Fussi handeln. Das Pauschalhonorar für den Gewinner beträgt angeblich 15.000 Euro, ist aus dem Rathaus zu hören. Neben Citylights, Social Media und Buswerbung soll auch hier das Design für ein Printinserat erstellt werden. In der Jury für die Gewinnerauswahl befindet sich mit Ausnahme Valentin Unterkirchers (Leiter Stadtkommunikation) kein einziger Werbefachmann: Bürgermeister Christian Scheider, Gesundheitsreferent Franz Petritz (SPÖ), Magistratsdirektor Peter Jost und die Leiterin der Abteilung Gesundheit, Birgit Trattler, sitzen in der Jury. Brisant: Petritz, der eigentlich das Referat Gesundheit verantwortet, ist aufgrund der Präsenz Scheiders in der Jury nur Copilot. Insider unken, es handle sich um eine taktische Zusammensetzung, weshalb die SPÖ ein 3:2-Votum befürchte. Und zwar zugunsten Scheiders – welche Agentur auch immer seine Geschmacksnerven trifft, erhalte den Zuschlag. Jost etwa wähnt man schon jetzt fix auf Scheiders Seite.

Für Jonke ist der Wirbel um die Jury nicht nachvollziehbar: „Der Bürgermeister hat mit der Kampagne eigentlich keine Freude“, sagt er. „Die Klagenfurter sollen sich impfen lassen, wenn sie es für richtig halten.“ Dennoch: Scheider sitzt in der Jury. Jonke erklärt die Teilnahme des Bürgermeisters so: „Die Stadtkommunikation gehört zum Bürgermeister, deshalb sitzt Christian Scheider auch in der Entscheidungsgruppe.“ Beobachter kritisieren aber auch Petritz´ und Josts Teilnahme, die „besser von Experten ersetzt werden sollten“.

Nach Villacher Vorbild: SPÖ will Gelder der Impfkampagne an Vereine ausschütten

Aus roten Kreisen ist großer Unmut zu vernehmen. Offenbar sieht man sich der Referatskompetenz beraubt. Scheider öffentlich hineingrätschen traut sich aber niemand. Hinter vorgehaltener Hand werden jedoch Stimmen laut, die meinen, Scheider habe sich eingeklinkt, um an der medialen Berichterstattung partizipieren zu können. Dazu Jonke: „Scheider wollte die Kampagne keineswegs an sich reißen. Im Gegenteil, wir haben damit spekuliert, die Kampagne nicht zu machen, das Geld liegen zu lassen und im nächsten Jahr mit Ertragsanteilen gegenzuverrechnen.“ Im rot regierten Villach werden die 600.000 Euro aus der Impfkampagne zum größten Teil an Vereine weiter gereicht: Die Stadt bringt die Kampagne also direkt am Sportplatz oder in der Kulturhalle unter die Leute. Sie mietet von den Vereinen Bandenfläche, auf denen die Sujets oder Transparente erscheinen. Der Slogan lautet „Mit VEREINten Kräften gegen die Pandemie“. Alle Vereine können daran teilnehmen. Wie man hört, ist auch die Klagenfurter SPÖ für eine solche Vorgangsweise, um einen Wettlauf der Politiker, aus der Zeitung zu lachen, zu verhindern. Ob es sich dabei um eine reine Gegenreaktion darauf handelt, dass Scheider SPÖ-Stadtrat Petritz quasi das Heft aus der Hand genommen hat, darüber kann nur spekuliert werden. Jonke lässt außerdem aufhorchen: „Auch wir wollen, dass das Geld bis hinunter zum kleinsten Verein kommt.“ Nur ein kleiner Teil des Budgets werde in Inseraten aufgehen.

Wasserdicht? Beim Hubert-von-Goisern-Konzert am Neuen Platz schützte die Stadt die Besucher mit einem Regenüberzug – mit großem Konterfei des Bürgermeisters

Spesenkonto des Bürgermeisters schwillt an

Aber nicht nur bei Inseraten wird das Geld, wie es scheint, mit lockerer Hand ausgegeben. Auch das Repräsentationskonto des Bürgermeisters soll wegen Mehrausgaben deutlich Schlagseite erlitten haben. Hier ist davon die Rede, dass zu rund 82.000 Euro für das heurige Jahr noch 26.000 Euro aus dem Vorjahr hinzukommen sollen. Einzig FPÖ-Stadträtin Sandra Wassermann soll gegen den Genehmigungsantrag für die 26.000 Euro gestimmt haben, die SPÖ und offenbar auch die ÖVP kurioserweise dafür.

Im Rathaus braut sich indes Kritik über Werbeaktionen in Zusammenhang mit dem Team Kärnten bzw. Scheider selbst zusammen. Mediapartizan.at wurden gleich zwei Aktionen zugespielt, in denen das Team Kärnten und die Stadt – mit großem Konterfei Scheiders – für sich die Werbetrommel rührten. Beim Seniorenkirchtag der Stadt soll Scheiders TK Parteiwerbung betrieben haben. Die Senioren konnten dort gleich Beitrittsformulare ausfüllen. Als Geschenk gab es ein Stofftäschchen. Und beim Konzert von Hubert von Goisern, bei dem es regnete, soll die Stadt Regenhäute verteilt haben. Mit folgender Packungsaufschrift: „Die Stadt Klagenfurt lässt Sie nicht im Regen stehen. Ihr Bürgermeister Christian Scheider“ – der Stadtchef rechts daneben groß abgebildet. Mastermind hinter den Werbeaktionen, so wird gemunkelt, soll mitunter Karl-Heinz Petritz sein. Er ist wie Scheider ein Veteran der Haider-Ära. Vom verstorbenen Landeshauptmann war bekannt, dass sein Dienstwagen-Kofferraum voller Werbegeschenke war. Auch vom Steuerzahler berappt.

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1 Kommentar

  1. Eine wichtige Korrektur: Mathiaschitz wurde nicht WEGEN Scheider als Gegenkandidat abgewählt, sondern TROTZ. Dieses Versagen hat sie schon selbst verschuldet.

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