Cornelius Granig: Der IT-Berater des Landes Kärnten, ein israelischer Privatdetektiv und das Ibiza-Video

Pressekonferenz zum Hackerangriff auf das Land Kärnten, 6.6.2022. Links IT-Security-Experte Cornelius Granig (Foto: Gert Eggenberger)
Pressekonferenz zum Hackerangriff auf das Land Kärnten, 6.6.2022. Links IT-Security-Experte Cornelius Granig (Foto: Gert Eggenberger)

„Kennen Sie Dr. Cornelius Granig?“, fragt die Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper von den Neos den vormaligen Vizekanzler der Republik Österreich, Heinz Christian Strache. Ort der Befragung: Der Ibiza-Untersuchungsausschuss. Wir schreiben den 16. Juli 2020. Drei Jahre davor, im Sommer 2017, war Strache einer falschen russischen Oligarchennichte und mehreren fragwürdigen Gestalten auf der Ferieninsel Ibiza auf den Leim gegangen. Das Substrat daraus, das sechsminütige sogenannte Ibiza-Video, erschüttert 2019 die Republik: Im wortwörtlichen Machtrausch will Strache, dass die Russin die „Kronen Zeitung“ übernimmt, um dann vor der Nationalratswahl die FPÖ zu pushen. Hans Peter Haselsteiners Strabag nimmt er vorsorglich schon mal die Staatsaufträge ab und kritische Redakteure bei der „Krone“ („Journalisten sind die größten Huren“) tauscht er aus. Im Hintergrund turnt Johann Gudenus durch das Bild. Er mimt eine Glock-Pistole im Anschlag. Nach der Veröffentlichung des Videos durch die „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel Online“ muss Strache als Vizekanzler abdanken, auch die Kurz-Regierung geht wenig später den Bach hinunter.

Strache: „Den Herrn kenne ich.“

Auf die Frage von Krisper, ob er Cornelius Granig kenne, antwortet Strache: „Den Herrn kenne ich.“ – „Wer ist er?“, bohrt Krisper nach. Strache: „Das ist ein Journalist.“ – „Nein“, antwortet Krisper resolut. Woraufhin Strache retourniert, dass Granig „ein Buch über IT-Technik, -Sicherheit und Securitytechnik geschrieben“ habe und er glaube, dass der geborene Kärntner Granig „im Bereich der Regierung als IT-Securityberater tätig“ sei. Womit eine Analogie zum Heute gegeben wäre: Granig ist Landeshauptmann Peter Kaisers (SPÖ) rechte Hand in Sachen Cyber-Security. Seit dem Angriff der Hackerbande BlackCat auf Landesserver und dem Diebstahl von 250 Gigabyte Daten, blamiert sich das Land von einer Pressekonferenz in die nächste. Granig wurde als Rettung gerufen, soll für das Land sozusagen den Cyber-ÖAMTC spielen. Der bekannte Experte und Buchautor warnte schon im heurigen März vor „digitalen Blackouts“. Granig gilt seit seinem Engagement beim Land als Erfinder des „Russland-Narrativs“: Der Angriff auf das Land sei russischen Ursprungs gewesen. Teil dieses Narrativs ist auch, die Glaubwürdigkeit der von BlackCat in Folge geleakten Daten in Zweifel zu ziehen. Mutter dieser Strategie dürfte eher Verzweiflung denn Aufklärung gewesen sein: Es ist bisher nicht bekannt, dass von Medien veröffentlichte Geschichten oder Datenstücke über den Leak gefälscht gewesen wären. Team-Kärnten-Parteichef Gerhard Köfer hinterfragt deshalb die Rolle Granigs: „Es mehren sich die Zweifel, ob Granig wirklich die richtige Person am richtigen Ort und für eine objektive Aufklärung weiter tragbar ist.“ Auch die „Kleine Zeitung“ würdigt Granig eines unverhohlenen kritischen Blicks: „Die Faktenlage nährt den Verdacht, dass man den Experten nicht als Aufdecker, sondern als Zudecker engagiert hat“, schreibt sie in einem Kommentar.

WKStA: Granig half Strache beim Ausforschen der Hintermänner des Ibiza-Videos

Unterdessen lässt Krisper im Ibiza-U-Ausschuss nicht locker: „Haben Sie Kenntnis davon, dass Dr. Granig in Sachen Video tätig wurde?“, fragt sie Strache. Und hier wird es spannend. Denn nach Angaben der Ibiza-Untersuchungsbehörden half Granig dem gefallenen Strache bei der Ausforschung der Drahtzieher des Videos. In einem 61-seitigen Dokument der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKStA) heißt es etwa, „dass sowohl Dr. GRANIG als auch GRUBMÜLLER (…) STRACHE bei seinen Bemühungen, die ,Hintermänner‘ auszuforschen, unterstützten.“ Der Name Grubmüller spielt dabei eine wesentliche Rolle. Doch zuvor noch Granigs Antwort auf die Frage, ob er für Strache oder dessen Umfeld unterstützend tätig war, die Hintermänner des Videos auszuforschen: „Ich habe mich vor drei Jahren im Rahmen einer Buchrecherche mit der Entstehungsgeschichte des ,Ibiza‘-Videos beschäftigt und mit vielen Personen darüber gesprochen. Dabei wurden immer wieder Informationen über die Hintergründe an mich herangetragen, die sich aber nach sorgfältiger Überprüfung letztlich nicht zu einem substantiell interessanten Buch zusammenfassen ließen. Ich war nicht in der von Ihnen beschriebenen Aufgabenstellung für jemanden tätig“, schreibt Granig auf Anfrage von Mediapartizan.

Die Prikraf-Causa

Damit stellt Granig die Angabe der WKStA, dass er „STRACHE bei seinen Bemühungen, die ,Hintermänner‘ auszuforschen, unterstützte“, quasi in Abrede. Und hier kommt Walter Grubmüller ins Spiel. Grubmüller pflegt ein Naheverhältnis zu Strache. Er ist jener Unternehmer und Millionär, der während der türkis-blauen Regierung für seine Privatklinik Währing Mittel aus dem Privatklinikenfinanzierungsfonds (Prikraf) haben wollte, damit deren Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen hätten verrechnet werden können. Laut Anklage hätte Strache dafür sorgen sollen, dass Grubmüllers Klinik in den Prikraf aufgenommen wird. Als Gegenleistung für die Änderung des dafür notwendigen Gesetzes soll Grubmüller der FPÖ eine Spende von 10.000 Euro überwiesen haben. Das führte im Vorjahr zu nicht rechtskräftigen Verurteilungen von Strache und Grubmüller von 15 beziehungsweise 12 Monaten bedingt. Grund: Bestechung. Es gilt die Unschuldsvermutung.

„Ruf Conni an !!!“

Grubmüller unterhielt aber auch ein Bekanntschaftsverhältnis zu Granig. Das legen zumindest die Chats zwischen Strache und Grubmüller nahe, sie liegen Mediapartizan vor. Grubmüller nennt Granig verkürzt „Conni“ – in Abwandlung von dessen Vornamen Cornelius. Strache schreibt im Juni 2019 an Grubmüller, dass ein israelischer Privatdetektiv für „die Aufklärung der Hintergründe“ des Videos „zwischen 100.000 und 200.000“ verlange. Grubmüller solle mit dem Detektiv reden, tippt Strache in sein Handy. Als nächstes checkt Grubmüller den Israeli offenbar ab – oder lässt ihn abchecken. Strache schreibt: „Ich hoffe, der Isreali liefert Ermittlungserfolge!“ Grubmüller antwortet: „Sieht nicht so aus er hat nichts und möchte nur kassieren.Sprich mit Conni !!!“ Damit ist, davon kann ausgegangen werden, Cornelius Granig gemeint. Als nächstes tippt Grubmüller an Strache: Der Israeli „möchte 170k im Voraus ohne Garantie plus 100k sollte er liefern wir glauben er ist ein Blender der abkassieren möchte“ (sic!). Dann kommt es offenbar zu einem Kontakt mit dem Privatschnüffler aus Israel: „Er ist überraschend heute in Wien aufgetaucht“, schreibt Grubmüller an Strache, „Conni macht Meeting ich bin am tel.dabei möglich das er etwas hat möglich er ist doppelagent wir arbeiten an der Sache“ (sic!). Die Grubmüller-Message an Strache würde bedeuten, dass an Granig nicht nur, wie er sagt, „Informationen über die Hintergründe herangetragen“ wurden, sondern dass er aktiv am Ausforschen der Hintermänner des Videos beteiligt gewesen wäre (was keine Straftat darstellt).

Fehlerhaft abgespeicherter „Grandig“ auf Straches Handy

Zu dieser Annahme kommen die Ermittler offenbar auch wegen einer Nachricht Granigs an Strache. Ende Juni 2019 erhält Strache eine Nachricht von einem – in seinem Handy abgespeicherten – Kontakt namens „Cornelius Grandig – Buch“ per Signal Messenger. „Grandig“ meldet an Strache, „dass er ,News‘ habe, es gehe um die ,Involvierung des Glücksspielkonzerns'“, schreibt „Grandig“, bei dem es sich laut Ermittlern um Granig handelte – Strache dürfte den Kontakt fehlerhaft abgespeichert haben, jedoch mit tatsächlichem Kontext zu einem womöglich geplanten Buch. Dennoch geht die WKStA in ihren Akten wie eingangs erwähnt davon aus, dass Granig „STRACHE bei seinen Bemühungen, die ,Hintermänner‘ auszuforschen, unterstützte“. Auch möglich, dass das eine ins andere griff. Was die Bedeutung der „Involvierung des Glücksspielkonzerns“ sein sollte, geht aus den Akten nicht hervor.

„Politisch auf Linie“

Apropos Glücksspielkonzern: Wenn es nach Grubmüller gegangen wäre, wäre Granig möglicherweise Vorstand bei den Casinos Austria geworden. „Welchen verlässlichen und Freiheitlichen aus dem Casino Bereich können wir statt dem roten Hoscher in den Casino Vorstand bringen?“, tippt Strache an Grubmüller. Der antwortet: „Cornelius Granig wäre politisch auf Linie und ich könnte ihn beraten. Novomatic wollte ihn schon vor 2 Jahren. Er hat sicher gute Management Qualitäten und gute History.“ Die Vorstands-Skills hat Granig, der sich privat ehrenamtlich als Präsident der Ukraine-Hilfe engagiert und Kriegsnotleidenden hilft, tatsächlich: Er hat Teile seiner Karriere bei Raiffeisen, IBM und Siemens absolviert – in Toppositionen. Weshalb er in der Meinung Grubmüllers etwa auch als ÖBB-Vorstand in Frage gekommen wäre. Jedenfalls empfiehlt dieser Granig am 8. Mai 2018 in einer Nachricht an Strache: „Lieber Vizekanzler! Ein guter Freund von mir, Cornelius Granig, wird sich bei Dir bzgl. ÖBB-Vorstand vorstellen (…).“ Granig hält auf Anfrage dazu fest: „Ich habe Bewerbungen für Positionen im Bereich staatlicher Unternehmungen oder öffentlicher Einrichtungen stets im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen an die dafür zuständigen Gremien abgegeben. Ich habe keine Kenntnis, für welche Positionen ich von Dritten vorgeschlagen wurde. Ich habe bis heute zu keinem Zeitpunkt eine Position in einem staatlichen oder teilstaatlichen Unternehmen oder einer öffentlichen Einrichtung eingenommen.“ Womit Granig Recht hat: Er wurde weder Vorstand bei den ÖBB, noch bei den Casinos Austria. Auf diesen Posten wurde Peter Sidlo gehievt – was einen Postenschacher-Skandal auslöste.

Der IT-Sicherheits-Experte, er schrieb über das Thema Cybercrime ein eigenes Buch namens „Darknet“, ist selbst Opfer der Hackerattacke auf das Land. Wie die „Kleine Zeitung“ berichtete, fand sich im Datenleak von BlackCat auch ein Mail von Granig an Landeshauptmann Kaiser. Darin hatte er sich für einen Topjob bei einem im Landesumfeld befindlichen Unternehmen ins Spiel gebracht. Aus dessen Realisierung oder Weiterverfolgung schlussendlich aber auch nichts wurde. So gesehen ist Granig, wie man in der IT-Sprache sagt, safe wie eine Firewall.

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Reaktion

In einer Reaktion auf den Artikel sagte Cornelius Granig, er wolle „betonen dass ich selbst noch nie Kontakt mit der WKStA hatte, auch nicht im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video“.

Update 29. August 2022

Wie die „Kronen Zeitung“ heute berichtete, wurden Strache und Grubmüller in zweiter Instanz frei gesprochen. Wegen Unschlüssigkeit des Ersturteils. Das Verfahren muss noch einmal durchgeführt werden.

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