Im Juni dieses Jahres wurde man im Gesundheitsministerium hellhörig: “Dem BMSGKP sind Hinweise auf Missstände bei der Behandlung von Anträgen auf Vergütung von Verdienstentgang gemäß § 32 Epidemiegesetz (…) übermittelt worden.” Das Ministerium von Johannes Rauch (Grüne) habe Informationen, “dass in einer Bezirksverwaltungsbehörde Kärntens Vorgaben bestünden, Anträge bis zu 1.500 € inhaltlich nicht zu prüfen, sondern den ausgewiesenen Betrag ohne Weiteres zuzusprechen.” Das ist einem Brief des Ministeriums ans Land Kärnten zu entnehmen. Das Land wird aufgefordert, der Sache auf den Grund zu gehen.
Bei der Bezirksverwaltungsbehörde dürfte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die BH Spittal an der Drau handeln. Der Vorwurf lautet, die BH hätte eine nicht näher definierte Anzahl an Covid-Verdienstentgangs-Anträgen bis zu einer Höhe von 1.500 Euro einfach durchgewunken. Mediapartizan.at liegen diesbezügliche Anträge vor. Der Redaktion wurden außerdem Behördeninterna zugespielt, die die Vermutung nahe legen, dass es tatsächlich zu einer Art dienstlicher Vorgabe gekommen ist.
Aktenvermerk spricht von “stiller Weisung” Brandners
Im ersten Rechercheanruf im Juni verwies Bezirkshauptmann Klaus Brandner die Frage, ob es eine Weisung gegeben habe, noch ins Reich des “Unsinns”. Sieht man sich allerdings die neuen vertraulichen Unterlagen an, ginge sich der Gedanke aus, dass es ein solcher “Unsinn” vielleicht nicht ist: In einem Aktenvermerk vom April 2024 hält ein(e) BH-Mitarbeiter(in) fest: “Da die Entschädigungsanträge bis Ende 2024 abgearbeitet werden sollen, gibt es Ende März 2024 eine ,stille Weisung’ der Behördenleitung in persona Herrn Dr. Klaus Brandner dahingehend, es solle eine Erleichterung geben, dass bis zu einem bestimmten beantragten Entschädigungsbetrag ein Vollzuspruch ergehen soll.” Macht ein Unternehmen also beispielsweise 1.300 Euro dafür geltend, dass ein Mitarbeiter Corona bedingt abgesondert werden musste, sollen die 1.300 Euro ohne viel Aufhebens genehmigt worden sein. So der Vorwurf.
Bund zahlt ab Jänner nicht mehr
Die Zeitmarke im Aktenvermerk ist wichtig: “Ende 2024”. Wichtig deshalb, weil ab 1. Jänner 2025 der Bund die Entschädigungszahlungen nicht mehr übernimmt. Das geht aus einer Anfragebeantwortung des Ministeriums hervor. “Dennoch müssen die zuständigen Behörden die Anträge bearbeiten und die Beträge auszahlen. Eine Kostentragung durch den Bund scheidet dann aber aus.” Sprich: Für zu spät bearbeitete Anträge müssen die Bezirksbehörden oder das Land herhalten. Und genau das, so scheint es, wollte man bei der BH Spittal mit der “stillen Weisung” verhindern.
“Hauptsache ihr macht viel”
Brandner habe, so der Aktenvermerk, die Mitarbeiter selbst überlegen lassen, bis zu welcher beantragten Entschädigungshöhe auf Vollzuspruch entschieden werden solle. Deshalb “kommt das Team in der Osterwoche zur Entscheidung, dass der Betrag von 1.500,00 Euro passend wäre”. Begründung: Man habe sich die bisherige Statistik angeschaut “und da war/ist herauszulesen, dass es dadurch zu ca. 2/3 Vollzusprüchen kommen kann”. Die Sache sei dann mit Brandner besprochen worden, “er (Brandner, Anm.) spricht von 1.000,00 Euro, ich kläre auf, dass wir es mit 1.500,00 Euro in Umsetzung gebracht haben. Dies passt für ihn, Zitat: ,Hauptsache ihr macht viel!”
“Wenn die Differenz nicht allzugroß ist” …
Aus einem zweiten Dokument geht Ähnliches hervor: Es habe zwar “eine Plausibilitätsprüfung” der Anträge zu erfolgen und es müsse “in jedem Fall ein behördeninternes Berechnungsblatt” angelegt werden. “Wenn dort große Unterschiede herauskommen, dann muss auch unter der EUR 1.500.00-Grenze ein Teilzuspruch erfolgen”. Und dann der Nachsatz: “Nur, wenn halbwegs plausibel beantragt wurde und die Differenz nicht allzu groß ist solle ein Vollzuspruch erfolgen.” Es wird auch ein Betrag genannt: Offenbar wurde erst eine Differenz von 300 Euro als zu hoch für einen Vollzuspruch angesehen.
Das habe ein leitender Mitarbeiter der BH Spittal (ein Untergebener Brandners) den Beschäftigten so weiter gegeben. Dieser habe die Weisung zwar nicht von Brandner selbst, sie sei aber “in einem Gespräch zwischen Dr. Brandner und [einer weiteren genannten Leitungsperson der BH] ergangen”. An einer anderen Stelle spricht das Papier zudem klar davon, dass “derjenige, der die Weisung ausgesprochen hat, Dr. Brandner selbst” (…) sei. Den Mitarbeitern wird empfohlen,, “mitzunotieren, was Dr. Brandner sagt, wenn er vor Ort ist. Wir mögen das alles verakten”. Offenbar wollten sich die Kollegen dagegen wappnen, im Falle einer rechtswidrigen Genehmigung von Entschädigungsbeträgen verantwortlich gemacht zu werden.
Ministerium erhielt anonymes Schreiben
Auf eine zweite Anfrage antwortete Brandner, dass er keine weiteren Auskunft erteilen könne, da Ministerium und Land die Sache derzeit untersuchen würden. Im Ministerium ging “in der Zwischenzeit ein anonymes Schreiben mit Unterlagen” ein, “das die behaupteten Missstände belegen soll”. Man habe “dieses Schreiben mit dem Auftrag einer Prüfung an das Amt der Kärntner Landesregierung übermittelt.” Auf den ursprünglichen Brief vom Juni hat das Land offenbar noch immer nicht geantwortet, weswegen man “den ausstehenden Endbericht ebenfalls bereits urgiert” habe.
Das Land erklärt auf Anfrage, dass es “die Vorwürfe an der BH Spittal/Drau noch prüft”. Die Vorhaltungen würden sich aber nicht explizit gegen Brandner richten. Das stimmt zwar für den Juni-Brief: Darin wird sogar moniert, dass “sich bei der Abrechnung von Verdienstentgängen des Landes Kärnten im Vergleich zu anderen Bundesländern Auffälligkeiten ergeben haben, die nicht nur eine bestimmte Bezirksverwaltungsbehörde betreffen”. Die internen Dokumente, die Mediapartitzan.at nun zugespielt wurden, richten sich jedoch deutlich gegen Brandner. Die übermittelten Unterlagen sind echt. Ihre Authentizität wurde von den verfassenden Personen bestätigt.
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