Pleitegeier über Rathaus: Die geheimen Konsolidierungspapiere der Stadt Klagenfurt

Das Klagenfurter Rathaus
Das Klagenfurter Rathaus

Angefangen hat alles mit einer E-Mail von Magistratsdirektorin Isabella Jandl. “Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!”, schreibt sie am 4. Februar um 15:57 Uhr. Das Schreiben geht an die Führungskräfte im Klagenfurter Rathaus, allen voran an die mächtigen Abteilungsleiter, die zwar im Rang unter ihr, aber im Know how über interne Gepflogenheiten im Haus (noch) über ihr stehen. Jandl ist zu diesem Zeitpunkt erst drei Monate im Amt, sie trat ihren Dienst im Dezember des Vorjahres an.

25 Prozent kappen

In dem E-Mail macht Jandl eine klare Vorgabe: “(…) und ersuchen Sie nochmals, unter der fiktiven Annahme, dass Sie 25 % weniger in ihrem (sic!) Bereich zur Bewirtschaftung zur Verfügung haben (…)”. Die Rede ist davon, dass alle Adressaten des Mails aufgefordert werden, ein Viertel ihres Budgets einzusparen. Denn die Stadt steht finanziell vor dem Kollaps. Jandl hat den Empfängern sogenannte Potentiallisten in den Mailanhang gesteckt. Die müssen die Abteilungen nun ausfüllen und darstellen, wo der Rotstift angesetzt werden kann. Mediapartizan ist im Besitz dieser Listen.

Für die Rückmeldung ließ Jandl eine eigene Mailadresse im Rathaus einrichten: “konsolidierung2025@klagenfurt.at”. Dort haben die Abteilungen ihre Einsparvorschläge einzumelden. Und das “(…) bis spätestens Mittwoch, den 26. Februar 2025”.

Organisationsreform verschoben

Die Einsparungen sind auch im Lichte einer gerade stattfindenden Organisationsreform zu sehen. Die jedoch um drei Monate verschoben werden musste. Ein Erlass von Bürgermeister Christian Scheider (Liste Scheider) legte den Start der Organisationsänderungen mit 1. April 2025 fest, ein Brief Jandls an Führungskräfte vom 27. März zeigt aber, dass eine Verlegung auf den 1. Juli nötig wurde. “Die zeitliche Verschiebung ist erforderlich, da die beschlossene Anpassung der Organisationsstruktur sowie die damit einhergehende Anpassung der Geschäftseinteilung des Magistrats eine ergänzende Ausarbeitung erfordert”, so Jandl in dem Brief. Rathaus-Quellen berichten, dass man die dienstrechtliche Komponente der Orga-Reform nicht ausreichend bedacht habe: Durch das Verschieben von Organigramm-Kästchen kommt es bei Betroffenen oft zu mehr oder weniger Einfluss und Machtfülle oder zu geringwertigerer Arbeit. Offenbar regte sich gegen letzteres Widerstand im Haus, da Dienstnehmern eine Schlechterstellung gesetzlich nicht zumutbar ist.

Schlaraffenland geschenkter Stunden

Doch zurück zum Rotstift. Ein paar Sparvorschläge der Abteilungen stechen besonders hervor. Darunter jener des Stadtgartenamtes. Das meldet für die Sitzung des geheim tagenden sogenannten Konsolidierungsstabes am 22. April 2025 ein, dass die “Arbeitsruhe” im Rathaus kräftig reformiert gehöre. Fein säuberlich wird Punkt für Punkt angeführt, wie großzügig die Stadt 2024 freie Stunden an die Mitarbeiter verschenkte. Insgesamt seien es 54,5 Stunden gewesen, in deren Genuss man hatte kommen können, ohne dafür Lohneinbußen hinnehmen zu müssen. “Für Faschingdienstag (3,5 Stunden), Karfreitag (1,5), 10. Oktober (3,5), Allerseelen (3,5), 23. Dezember (8,5), Heiliger Abend (8,5), Silvester (8,5), Betriebsausflüge (17).” Das entspreche bei 1650 Vollzeitstellen rund 50 zusätzlichen Vollzeitäquivalenten – “freiwillig geschenkt”. Also einer Millionensumme, kritisiert das Stadtgartenamt eine gewissermaßen populistische Gehaltspolitik und führt damit die Absurdität der Sache vor Augen: Gleichzeitig wie man nahezu pleite ist, verschenkt man Stunden an Mitarbeiter.

Das Stadtgartenamt in der Klagenfurter Pulverturmstraße

Indes meldete die Stadt Klagenfurt zurück, dass Scheider eine Reihe von geschenkten Stunden 2025 wieder abgeschafft hat. Eine schriftliche Bestätigung blieb bis dato aus. Der Landesrechnungshof allerdings bestätigt die Version der Stadt Klagenfurt. Er sagt, die geschenkten Stunden seien jedenfalls in eine Prüfung eingeflossen und zum Teil 2025 eingestellt worden.

Kritik an Verkürzung der Arbeitszeit

“Hinzu kommt, dass die Landeshauptstadt 2021 die Wochenarbeitszeit von netto 40 Stunden auf netto 38 Stunden dauerhaft gekürzt hat (in Scheiders Amtszeit, Anm.). Dies bedeutet in Wirklichkeit eine permanente jährliche Lohnerhöhung von fünf Prozent zusätzlich zur Lohnerhöhung, die sich aus dem Lohnabschluss ergibt und entspricht 80 FTE” (Vollzeitäquivalenten), geht die Kritik weiter.

“Ausufernde Freizeitgewährungen”

“Ohne Not wurden insgesamt Freizeiten im Gegenwert von über 130 FTE geschenkt”, schreibt das Gartenamt an Jandl. Also 130 Vollzeitposten. “Es ist uns nicht bekannt, dass solche ausufernden Freizeitgewährungen im öffentlichen Dienst anderswo heute noch Bestand haben, von der Privatwirtschaft ganz zu schweigen.” Es sei mehr als verwunderlich, dass der Landesrechnungshof “diese Thematik noch nicht aufgegriffen hat”.

Freilich: Es ist nicht bekannt, dass das Stadtgartenamt bei der Gewährung der fürstlichen Stundengeschenke Nein gesagt hätte.

19 Grünanlagen vor möglicher Auflassung

Werde der Sparstift beim Gartenamt angesetzt, könnte es “zum gänzlichen Entfall bestimmter Grünanlagen” kommen. In Folge werden 19 kleinere Grünanlagen und Spielplätze quer durch Klagenfurt angeführt, die vom Stadtgartenamt nicht mehr serviciert werden könnten. Darunter beispielhaft am Spitalberg, in der Bahnstraße oder in der Dag-Hammarskjöld-Siedlung, um nur einige zu nennen. Insgesamt gibt es in Klagenfurt 80 Grünanlagen.

Ergrünter Lindwurm (Stadtgartenamt Pulverturmstraße)

In Summe hat das Stadtgartenamt wohl das umfassendste Exposé an Jandl übermittelt. Abbildungen zeigen, dass die Personalstärke bei den Stadtgärtnern seit 2004 (in Köpfen) um 40 Prozent abgenommen haben soll, in Vollzeit-Äquivalenten sei das Personal seit 2014 um 23 Prozent zurückgegangen, zeichnen die Verantwortlichen nach. Auch die Auszahlung von Überstunden würde seit 2016 kontinuierlich sinken. Hinter all dem steckt offenbar eine Befürchtung: Mitarbeiter abbauen zu müssen.

“Streichung möglich – Politische Entscheidung”

Ingesamt geht die Abteilung bei einer beträchtlichen Zahl an geplanten Anschaffungen – etwa E-Transporter und -Autos – davon aus, dass Streichungen möglich wären. Bei der erwähnten Auflassung von Grünanlagen müsse eine “politische Entscheidung” gefällt werden. Bei vier Projekten sei allerdings eine Umsetzung “dringend erforderlich”: Generalsanierung des Theaterbrunnens, des Spielplatzes im Rauscherpark und des Spielplatzes am Alten Platz. Außerdem müsse es beim Projekt “Sedi-Lend”, einer Untersuchung des Gewässerzustandes des Lendkanals, dringend zu einer Umsetzung kommen.

Personalwesen der Stadt getadelt

Die städtische Gartenabteilung spart auch nicht mit Kritik am Personalwesen: Die Abteilung Personal verstehe sich als “Personalverwaltungs- und -verrechnungsstelle sowie Arbeitsrechtsstelle”. Alle anderen Human-Resource-Standards “werden dort nicht systematisch und strukturiert behandelt”. Weswegen sich wenige Interessenten für handwerkliche Jobs bei der Stadt interessieren würden. Und kämen welche, hätten sie selten die nötigen Fähigkeiten.

“Wird der Personalstand (im Stadtgartenamt, Anm.) nicht mehr auf 150 (…) in der Saison erhöht, dann müssen Grünanlagen, wie eingangs erwähnt, gänzlich aufgelassen werden”. Damit sind offenbar die oben erwähnten 19 Grünflächen gemeint.

Minderleister ziehen Niveau nach unten

Und schließlich gehen die Leute mit dem grünen Daumen in die Vollen: Bei den Gehältern herrsche im Magistrat eine “ausgebaute Gleichmacherei-Praxis”. Was bedeute, dass “zwischen Spitzenleistern und Minderleistern eine Leistungsdifferenz von bis zu fünfhundert Prozent” bestehe, moniert man. Wie diese fünfhundert Prozent zustande kämen, wird nicht angeführt. Das wirke sich aber “im Nettogehalt und in der Laufbahn lediglich im einstelligen Prozentbereich aus”. Das führe zu einer Leistungsnivellierung, sprich: zu einer “Motivation zur Minderleistung”.

Die Stadtgärtner schließen mit: Das Stadtgartenamt habe seine Hausaufgaben gemacht, “nicht erst seit gerade eben, sondern seit zwanzig Jahren. Der Stadtgartenbeitrag zur Budgetkonsolidierung ist somit bereits erfolgt”, ist man sich gewiss. “Wenn weiterhin Personalabbau betrieben werden soll, dann müssen Grünanlagen gänzlich aufgelassen” und deren Infrastruktur “dauerhaft entfernt werden”.

Lesen Sie morgen: Bleiben die Müllhackler bei der Stadt oder werden sie privatisiert?

Update: Stellungnahme Bürgermeister Christian Scheider, 5. Mai, 17:10 Uhr

“Bezüglich des Themas ,betriebsfreie Tage’ ist zunächst wichtig zu erwähnen, dass es derartige Tage
bereits seit vielen Jahrzehnten gibt und die diesbezügliche Regelung über Jahrzehnte unverändert
blieb. Aufgrund der finanziell schwierigen Lage der Stadt habe ich erstmals Einsparungen in diesem
Bereich vornehmen müssen. Seit Anfang 2025 gibt es für die Tage Faschingsdienstag, Karfreitag und
Allerseelen keine Dienstfreistellungen beziehungsweise Dienstverkürzungen mehr. Über weitere Kürzungen wird derzeit verhandelt.

Weiters ist die seitens des leitenden Angestellten geäußerte Kritik an einer grundlosen Verkürzung der
Arbeitszeit vollkommen hypothetisch und entspricht nicht einer vollständigen Darstellung des
Sachverhaltes. Die Regelung, dass die Mittagspause als Arbeitszeit gerechnet wird, hat ihren Ursprung
im Jahr 2022. Damals war trotz intensiver Verhandlungen lange Zeit kein Gehaltsabschluss möglich. Es
Stand vor allem eine Nulllohnrunde im Raum. Schlussendlich einigte man sich auf eine deutlich
geringere Gehaltserhöhung, als im Vergleich zu Bund und Land und vereinbarte alternativ dazu ein
sogenanntes ,Freizeitpaket’. Dieses umfasste unter anderem die Mittagspause in Form von
Arbeitszeit.

Diese Lösung war eine deutlich kostenschonendere Lösung für das Budget der Landeshauptstadt. Die
dazu vom leitenden Mitarbeiter angestellten Hochrechnungen sind hypothetisch und reine Theorie.
Faktum ist, dass eine solch duale Lösung deutlich budgetentlastender war und auch zu keiner
tatsächlichen Personalsteigerung führte. Aus diesem Grund gab es auch im Gemeinderat zur
Gehaltserhöhung einen einstimmigen Beschluss zur Gehaltserhöhung und zum Freizeitpaket einen
Beschluss mit breiter Stimmenmehrheit.”

7 Kommentare

  1. An der Stelle ein großes Danke für Ihrer Arbeit Hr. Miklautz, man kann das gar nicht hoch genug bewerten. Diese Missstände sind himmelschreiend, ein überforderter und in allen Belangen offenbar völlig ungeeigneter Bürgermeister sitzt mit seinen Politfreunden aus FPÖ-Tagen beim politisch-finanziellen Trog Magistrat, drückt jetzt auch noch den nächsten Kostenfaktor Jonke rein (in den Magistratsdienst übernommen und auch noch Vizebürgermeister, hat in etwa die gleiche Bildungsqualifikation wie der Hr. Scheider, die Artikel/Interviews über das Intrigantentum in Mediapartizan und der Kleinen Zeitung sprechen Bände! außerdem hat der werte Hr. Bürgermeister ja auch noch die eigene Gattin schnell versorgt, bevor es zu einem Personalstopp kam – Vetternwirtschaft in Reinkultur). Bitte machen Sie weiter, ich mache in meinem Freundes- und Bekanntenkreis Werbung um Ihre Plattform auch finanziell zu unterstützen.

  2. Die sollten bei Ihren Gehältern mal um die Hälfte einsparen,od.zur Verantwortung bei einer Fehlentscheidung Ihre Vermögenswerte gepfändet werden. Ausserdem sitzen mehr als die Hälfte der Abgeordneten zuviel im Landtag. Bei einer Selbstständigkeit einer Brivatwirtschaft würde man in kuzer Zeit Bankrott gehen.Die sollen das Brivatisieren,weil zum richtigen Wirtschaften sind die ja dämlich/Blöde.Nur die Bürger mit dem Steuergelder belasten.Die Leben ja auf großen Fuß der kleinen Leute.Ich gehe schon Viele Jahre nicht mehr zur Wahl.

  3. zu den Gehaltsvereinbarungen 2021 habe ich am 17.12.21 folgendes geschrieben:

    Vermutlich ist das Wort „Milchmädchenrechnung“ mittlerweile politisch inkorrekt. Im gegebenen Fall handelt es sich aber ohnehin eher um eine Buberlrechnung, so dass ich mir diese Inkorrektheit ausnahmsweise gestatte.

    Nehmen wir folgende Durchschnittswerte an: Die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeit-Magistratsbediensteten beläuft sich auf 40 Stunden pro Woche. Abzüglich Urlaub, Wochenenden und Feiertage arbeiten sie 220 Tage pro Jahr.
    Die bisher unbezahlten 30 Minuten Mittagspause werden nun bezahlt, das macht 110 bezahlte Stunden pro Jahr. Drei weitere Urlaubstage summieren sich auf 24 Stunden pro Jahr, so dass die mit der Gewerkschaft getroffene Vereinbarung auf insgesamt 134 bezahlte Stunden pro Jahr hinausläuft.
    220 Arbeitstage zu je 8 Stunden ergeben ein Arbeitsvolumen von insgesamt 1760 Stunden pro Jahr. Die Bediensteten haben jetzt bei gleichem Lohn 134 Stunden (ca. 3,5 Wochen) weniger zu arbeiten, nämlich 1626 Stunden. Dies bedeutet eine indirekte Lohnerhöhung (ausgehend von 1626 umgerechnet auf 1760) von 8,24%!! (rechnet man umgekehrt, sind es immer noch 7,61%).

    Kein Wunder, dass die Gewerkschaft einer solchen Vereinbarung zustimmt, ihre Leute können offenbar rechnen 😉.

    Ich habe letztlich auch nichts gegen eine solche Vereinbarung. Ich bin nur dagegen, dass man glaubt bzw. glauben macht, sie schone das Budget. Denn das ist eine Rechnung der eingangs genannten Art. Es sei denn, die Magistratsbediensteten haben bislang nicht intensiv gearbeitet und können daher künftig eine höhere Arbeitsleistung pro Stunde erbringen, um den Wegfall der o.a. 134 Stunden auszugleichen.

    Solches wage ich aber nicht anzunehmen.

  4. Die Überstunden scheinen inzwischen tatsächlich nicht weniger geworden zu sein. Eine Budget-Entlastung hat dieser Kniff wohl auch nicht gebracht. Aber so kommt es, wenn geballte Inkopetenz fröhliche Urständ’ feiert.

    Was mich dabei aber immer wieder fasziniert, ist, dass dieselben Handelnden durchaus erfolgreich sind, wenn es darum geht, das eigene Schäfchen ins Trockene zu bringen.

  5. Zur Stellungnahme aus dem BM-Büro: “Stand vor allem eine Nulllohnrunde im Raum. Schlussendlich einigte man sich auf eine deutlich geringere Gehaltserhöhung, als im Vergleich zu Bund und Land und vereinbarte alternativ dazu ein sogenanntes ,Freizeitpaket’. Dieses umfasste unter anderem die Mittagspause in Form von
    Arbeitszeit.”

    Wie mein füherer Kommentar zeigt, kostete das Freizeitpaket ca. 8,24%. Zusammen mit der “deutlich geringeren Gehaltserhöhung” war das wohl der teuerste Lohnabschluss in Kärnten.

    • Genau, der Herr Bürgermeister ist entweder ein Meister im Werfen von Nebelgranaten oder er versteht es tatsächlich nicht. Mehr Möglichkeiten sehe ich nicht…

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