
Wir schreiben das Jahr 2022: Um den Klagenfurter Flughafen wird gerungen. Der heutige Landeshauptmannstellvertreter Martin Gruber (ÖVP) will die Call Option ziehen und den Airport wieder in die öffentliche Hand zurückholen. Franz Peter Orasch hält mit seiner Lilihill-Gruppe dagegen. Diese war 2018 in den Airport eingestiegen und besaß in Folge 74,9 Prozent. Land Kärnten und Stadt Klagenfurt nur mehr rund 20 beziehungsweise fünf Prozent.
Doch Orasch blieb seine großen Versprechungen schuldig. Gruber, zuerst noch auf Co-Piloten-Kurs mit dem Immobilienunternehmer Orasch, fing mit der Zeit an, an Oraschs rosigen Voraussagen zu zweifeln. Und dann das Jahr 2022: Das Land Kärnten sah die Möglichkeit gekommen, die vertraglich vereinbarte Call Option zu ziehen. Und zwar weil der Airport unter Orasch nicht über 100.000 Passagiere kam. Die Call Option bedeutet, den Airport zu einem vertraglich gerelten Preis wieder in die öffentliche Hand zurückzunehmen.
Olaf Riss erstellte Gutachten
Die Kärntner Flughafen Betriebs GmbH (KFBG) ließ dazu ein Gutachten erstellen, das im Wesentlichen von einem erheblichen Prozessrisiko sprach, sollten die Altgesellschafter Land und Stadt die Call-Option ziehen. Gefertigt hatte das Gutachten am 21. April 2022 der (zu diesem Zeitpunkt) Klagenfurter Universitätsprofessor Olaf Riss. Heute lehrt er an der Universität Wien am Institut für Zivilrecht.
Liest man den begleitenden E-Mail-Verkehr, der rund um die gutachterliche Stellungnahme entstanden war, gibt es ein paar bemerkenswerte Passagen. Mediapartizan.at ist im Besitz der Mail-Korrespondenz zwischen Riss und Nils Witt, dem damaligen Geschäftsführer der KFBG.
Am 31.März 2022, drei Wochen vor Fertigung des Gutachtens, schreibt Witt an Riss: „Die Frage, die es zu klären gilt: Ist die Corona-Pandemie seit April 2020 als ,Höhere Gewalt zu bewerten‘ oder nicht? Diese Frage ist für die Lilihill-Gruppe essentiell.
„Standpunkt der Altgesellschafter als unsicher darzustellen“
Riss antwortet Witt: Wenn er in seiner Stellungnahme einen ungenauen Sachverhalt zugrunde lege, „hat es die andere Seite (gemeint offenbar die öffentlichen Gesellschafter Land und Stadt) leicht, unsere Argumente beiseite zu wischen“.
Außerdem schreibt Riss – alle Mails kommen von seinem Mailaccount an der Universität Klagenfurt -, dass seine gutachterliche Stellungnahme „tendenziell neutral formuliert“ und „eher knapp und schneidig gehalten“ sei. „Sie wirkt für Außenstehende also hoffentlich einigermaßen objektiv“, so Riss an Witt. „Ich habe versucht, den Standpunkt der LCB (Lilihill-Gesellschaft, Anm.) möglichst gut zu argumentieren und den Standpunkt der Altgesellschafter als unsicher darzustellen.“
„Dabei habe ich verschwiegen (…)“
Im gleichen E-Mail formuliert der Universitäts-Professor, dass er kurz skizziert habe, was in einem möglicherweise folgenden Gerichtsverfahren auf alle Beteiligten zukomme. „Dabei habe ich allerdings verschwiegen, dass die LCB (also die Lilihill-Seite) auch eine erhebliche Beweislast tragen wird; nämlich dafür, dass der Vertrag anders auszulegen ist, als es dem Wortlaut entspricht.“
„Noch ein paar Seitenhiebe auf die Politik“
Das sei „im Prozess ein erheblicher Rucksack, den die LCB zu schleppen hat“, schreibt Riss an Witt. Und gegen Ende (gemeint wahrscheinlich: Ende der gutachterlichen Stellungnahme), teilt Riss mit, fänden sich in seiner Arbeit „noch ein paar Seitenhiebe auf die Politik“. Garniert mit einem Smiley-Emoji.
„Schärfer formulieren“
In der Folge ersucht Witt, in einem Punkt, nämlich jenem der politischen Einflussnahme, „schärfer“ zu formulieren. Und erklärt, er würde „das Risiko für die LCB gar nicht erwähnen, zumindest nicht gegenüber den Altgesellschaftern, das wäre ja eher Aufgabe des anderen Gutachters, oder?“
Riss: „Kann ohne Weiteres zuspitzen“
Am 20. April bedankt sich Riss für die „schnelle Rückmeldung. Ich denke, ich kann die Stellungnahme ohne Weiteres in den genannten Punkten zuspitzen und anpassen.“
„Davon lässt sich ein Richter wahrscheinlich leichter überzeugen“
Wiederum am 20. April – zwei Tage vor Abgabe des Gutachtens – schreibt Riss an Witt: „Ein schneller Gedanke zu den Mehrfach-Ursachen für den Passagierschwund: Ich denke, es wird schwierig werden, vor Gericht den Beweis zu erbringen, dass die reduzierten Passagierzahlen ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen sind. So ein Beweis lässt sich eigentlich kaum schaffen“, so Riss. Deshalb habe „ich Argumente entwickelt, weshalb es genügt, im Prozess zu zeigen, dass die Pandemie den allergrößten Teil des Passagierschwundes verursacht hat. Davon lässt sich ein Richter wahrscheinlich leichter überzeugen.“
Das wird man wahrscheinlich in den nächsten Tagen sehen. Wenn das Urteil im Streit um den Klagenfurter Flughafen zwischen der Lilihill-Gruppe und der Kärntner Beteiligungsverwaltung (K-BV) ansteht.
29.000-Euro-Honorarrückforderung?
Maximilian Wildt, der heutige Geschäftsführer der KFBG, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. K-BV-Vorstand Martin Payer verweigerte eine Stellungnahme. In der Frage, ob die KFBG Riss‘ Gutachter-Honorar von angeblich knapp unter 30.000 Euro brutto zurückfordern werde, verwies er auf Wildt – der eben nicht erreichbar war. Olaf Riss beantwortete eine am 8. Oktober übermittelte Presseanfrage nicht.
Anmerkung: Dieser Text bewertet nicht das Gutachten von Olaf Riss. Er gibt aber den E-Mail-Verkehr rund um dieses Gutachten wieder.
Update 14. Oktober 2025: „Laufendes Verfahren“
Der aktuelle Flughafen-Geschäftsführer Maximilian Wildt meldete sich. Er könne zu der Sache „aufgrund des laufenden Verfahrens nichts sagen“. Bekanntlich untersucht die Staatsanwaltschaft aufgrund eines Rechnungshofberichts die Ära Lilihill am Flughafen.
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