Flughafen-Gutachten soll durchleuchtet werden. Land werden aber Detaildaten verweigert

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es alt. Und seither umstritten: Das ÖRAG-Gutachten, mit dem – in Auftrag gegeben vom Flughafen – der Wert ermittelt wurde, den Lilihill-Chef Franz Peter Orasch für gut 48 Hektar der nicht betriebsnotwendigen Airportflächen zahlen wollte. Es ergab: 17,8 Millionen Euro. Durchschnittlich also 37 Euro pro Quadratmeter. Vergleichsweise wird in der Gegend rund um den Flughafen auch mehr bis deutlich mehr bezahlt. Damals wollte Orasch die Gründe noch kaufen, nun will er sie mit einem 99-jährigem Baurecht bekommen. Und sie sich am Schluss noch zu einem Teil ablösen lassen. Im Muster für den Baurechtsvertrag ist jedoch kein Zins eingetragen. Würde dieser beim alten Vorschlag aus dem heurigen Frühjahr bleiben, würde Orasch nur einen empfindlich niedrigen Bauzins zahlen. Da war die Rede von 0,68 bis 1,88 Euro pro Quadratmeter – jährlich! In der Branche geht man von 0,50 bis zu einem Euro pro Monat und Quadratmeter aus.

Franz Josef Seiser soll Flughafen-Gutachten plausibilisieren

Dieses ÖRAG-Gutachten will das Land nun plausibilisieren lassen. Und hat dafür einen renommierten Experten gefunden, der in Kärnten kein Unbekannter ist: Franz Josef Seiser. Er gilt als Koryphäe in der österreichischen Immobilien-Gutachter-Branche. Durch Seisers Plausibilierungs-Gutachten etwa im Seenkauf-Skandal, flog auf, dass Maltschacher, Ossiacher und Hafner See unter Landeshauptmann Jörg Haider um über 20 Millionen Euro zu teuer gekauft wurden.

Airport-Gründe zwischen 90 und 180 Millionen Euro wert?

Jetzt soll Seiser das ÖRAG-Gutachten unter die Lupe nehmen. Und das könnte zu empfindlichen Irritationen führen. Dem Vernehmen nach geht man auf Landesseite davon aus, dass die Liegenschaften das Fünf- bis Zehnfache der 17,8 Millionen Euro wert sein könnten. Also zwischen 90 und 180 Millionen Euro. Träfe diese Spanne tatsächlich ein, hätten mehrere Mitspieler im Flughafen-Poker politische Argumentationsnot.

Keine gute Optik für Klagenfurter Vizebürgermeister Liesnig

Am meisten wahrscheinlich die Kärntner SPÖ. Nicht nur, weil ihr eine Nähe zu Orasch unterstellt wird, da sie der Rückholung des Flughafens (Call Option), die der Aufsichtsrat der Kärntner Beteiligungsverwaltung (KBV) beschlossen hatte, eine Absage erteilte. Sondern auch weil der Klagenfurter SPÖ-Vizebürgermeister Philipp Liesnig kurz nach Aufkommen des ÖRAG-Gutachtens schon damals eine gutachterliche Stellungnahme zur Herleitung des ÖRAG-Papiers in Auftrag gegeben hat. Zwar erteilte die Stadt Klagenfurt (als 5-Prozent-Eigentümer) gleich wie das Land (rund 20 Prozent) dem Grundstücksverkauf eine Absage, Liesnig aber befand – mit seiner gutachterlichen Stellungnahme im Hintergrund, einem dürren vierseitigen Papier – das ÖRAG-Gutachten für großteils passabel.

Zweiter Gang vors Gericht

Doch bis zur Plausibilisierung gibt es noch eine Hürde: Die Flughafen-Betriebsgesellschaft (KFBG) will dem Vernehmen nach die Detaildaten, also wie das ÖRAG-Gutachten auf die 17,8 Millionen Euro kam, nicht herausgeben. In der Geschäftsführung der KFBG sitzt auch Orasch. Die KBV will nun die Herausgabe dieser Detaildaten einklagen, um das Gutachten plausibilisieren zu können. Es wäre der zweite Gang vors Gericht. Zum ersten Mal traf man sich dort, weil Orasch sich 130 Hektar des Flughafens per Pachtvertrag überschrieben hat, was nach Ansicht der KBV die Entwicklung des Airports auf Jahrzehnte hinweg blockieren würde.

KBV-Vorstand Martin Payer

Payer will Verlängerungsfrage geklärt haben

In der Zwischenzeit steht seit gestern die Vertragsverlängerung von KBV-Vorstand Martin Payer auf der Tagesordnung. Dieser fing 2019 als KBV-Chef an. Sein Vertrag läuft noch bis März 2024. Offenbar möchte Payer aber vor der Kärntner Landtagswahl die Frage seiner Verlängerung geklärt haben. Denn Payer ist, wie man aus roten Kreisen hört, der SPÖ etwas zu „selbständig“ geworden. Dies zeigt sich am besten in der Flughafen-Causa: Payer und ÖVP-Landesrat Martin Gruber wollten im Sommer für 2021 die Call Option ziehen, da der Flughafen nur 29.000 Passagiere erreichte. Unter 100.000 können Land und Stadt den Airport zu relativ günstigen Konditionen zurückkaufen. Doch die SPÖ lehnte wie erwähnt ab. Gruber wirft Orasch vor, „seine Versprechen gebrochen“ zu haben. Und hat zumindest mit jenen, die Orasch im Strategieplan machte, Recht. In fast viereinhalb Jahren wurden wesentliche Investitionen verschlafen.

„Ein bisschen freundlicher könnte er sein“

Von KBV-Aufsichtsräten wird Payer „gutes Management“ attestiert und „dass er die KBV in die richtige Richtung entwickelt“ habe. Die drei Aufsichtsräte, mit denen Mediapartizan.at gesprochen hat, erbaten sich Anonymität. „Ein bisschen freundlicher könnte er aber sein“, sagt einer der Aufseher, der aber gleichzeitig betont, dass Payer „ziemlich viel richtig gemacht hat“. Mit dem Freundlichkeits-Sager spielt man offenbar darauf an, dass Payer etwa in der Causa Hafner See tacheles rede. Den dortigen Dauercampern richtete Payer aus, nicht ihr Ansprechpartner zu sein, wenn es um die Verlängerung ihrer Campinglizenzen gehe. Womit er Recht hat, es ist die Sonnenhotels-Gruppe, die das Feld räumen muss (und mit ihnen die Dauercamper), da die KBV einen neuen Pächter für das im Landeseigentum stehende Areal gefunden hat: Die Falkensteiner-Gruppe.

Birnbacher-Millionen zurückgeholt

Auf der Plus-Seite verbucht Payer auch die Bereinigung des Birnbacher-Honorarskandals. Im Zuge des Hypo-Verkaufs waren dem Steuerberater sechs Millionen Euro für ein läppisches Gutachten bezahlt worden. Payer holte bis zum heurigen September 5,7 Millionen Euro zurück. Im Oktober wurde bekannt, dass die KBV den Arbeitsrechtsprozess gegen einen von Payer geschassten Landesmanager gewonnen hat, der sich zurückklagen wollte. Payer wurden (kurioserweise vom gegenerischen Anwalt noch im Gerichtssaal) hohe Prozesskosten vorgeworfen. Von 400.000 Euro war daraufhin in Zeitungen die Rede. Was nah dran war: Es waren 381.922 Euro. Stellt man den Gerichtskosten jedoch den Gehaltsaufwand gegenüber, der durch den Verbleib des höchst umstrittenen Landesmanagers entstanden wäre, dürfte die KBV unterm Strich ein gutes Geschäft gemacht haben. Die Sache ist übrigens noch nicht ganz gegessen: Der geschasste Landesmanager beruft gegen das Gerichtsurteil.

„Werden Payer nicht zum Märtyrer machen“

Ein weiterer Aufsichtsrat erklärt jedoch, dass das Thema Verlängerung wieder von der Tagesordnung genommen werden soll, „es ist viel zu früh dafür“. Allerdings scheint allen Aufsichtsräten eines klar zu sein: Die Verlängerung Payers ist – auch in der öffentlichen Wahrnehmung – in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Klagenfurter Flughafen zu sehen. Wird Payer von der SPÖ abmontiert, wird die öffentliche Wahrnehmung womöglich jene sein, dass er zum Handkuss kommt, weil er – was sein Job ist – den Grundstücksplänen eines Immobilieninvestors im Wege stand. „Das wissen wir“, sagt ein SPÖ-naher Aufsichtsrat. „Und wir werden Payer nicht zum Märtyrer machen.“

Zieht SPÖ bei Call Option mit?

Bleibe Orasch heuer auch wieder unter 100.000 Passagieren, sagt das erwähnte KBV-Aufsichtsratsmitglied, werde man seitens SPÖ bei der Call Option „wohl mitziehen. Dann ist Orasch nicht mehr zu helfen.“

Lilihill beantwortete eine Anfrage zum Thema nicht.

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Foto(s): KK, gettyimages

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