Pomp statt Brettljause: Die wundersame Widmungsgeschichte des Weinguts Domäne Lilienberg

Die Domäne Lilienberg in Tainach (c) aufgeschnappt.at
Die Domäne Lilienberg in Tainach (c) aufgeschnappt.at

An Ideen und Visionen mangelt es der Domäne Lilienberg nicht. Das etliche Hektar große Weingut in Tainach im Kärntner Bezirk Völkermarkt brachte in den letzten Jahren mehrere seiner Geistesblitze sogar beim österreichischen Patentamt ein. Und ließ sie sich schützen. Zum Beispiel die Wortbildmarke mit dem quirligen Namen „Flamingo Kiss“. Dabei handelt es sich um einen „Österreichischen Himbeerschaumwein mit Kohlensäure versetzt“, wie das Patentamt verrät. Oder eine andere Eingebung, die nicht minder poppig klingt: „Schampusseria“. Diese Wortbildmarke meldete Winzerin Mirjam Orasch am 30. März 2022 an, also vor etwas mehr als einem Jahr.

Beherbergungsabsicht?

Ungefähr zur gleichen Zeit reicht Orasch, sie ist auch Geschäftsführerin des idyllischen Weinguts, eine weitere Wortmarke beim Patentamt ein: „angezettelt.at“. Die Web-Domain ist auf die Lilihill Capital Group GmbH von Franz Peter Orasch registriert. Dem Immobilienmagnat, der Mehrheitseigentümer am Flughafen Klagenfurt war und nun per Call-Option – dem Rückkauf des Airports durch Land Kärnten und Stadt Klagenfurt – verabschiedet werden soll, gehören 85 Prozent der Domäne Lilienberg Weinbau GmbH. Die restlichen 15 Prozent sind im Eigentum seiner Ehefrau, besagter Winzerin Mirjam Orasch (über die M.O.R.E. Investment GmbH).

Eigentumsverhätlnisse der Domäne Lilienberg Weinbau GmbH

Durchforstet man beim Patentamt die Kategorien (sogenannte Klassen), die mit der Wortmarke „angezettelt.at“ einhergehen, finden sich in der Klasse 43 unter anderem folgende Beschreibungen: „Informations-, Beratungs- und Reservierungsdienste in Bezug auf die vorübergehende Beherbergung von Gästen“. Und: „Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen“.

Klassifizierung von „angezettelt.at“: „Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen“ (Quelle: Patentamt)

Behörden gingen von „keiner Beherbergung“ aus

Das ist sonderbar. Denn gemäß Mediapartizan-Recherchen soll auf der Domäne gar „keine Beherbergung erfolgen“. Die Gebäude sollen auch nicht zu Wohnzwecken herangezogen werden. Die Behörden listen die Liegenschaft viel mehr als „Weinbaubetrieb mit dazugehöriger Buschenschank“.

Den Bescheid, also das Okay zur Errichtung der Buschenschank, erhält das Weingut am 12. Jänner 2016 vom Land Kärnten. Damals heißt die Domäne Lilienberg Weinbau GmbH noch weniger elitär Vineyard Weinbau und Entwicklung GmbH. Mit der Genehmigung der Buschenschank wird auch grünes Licht für ein landwirtschaftliches Betriebsgebäude gegeben. Ein bestehender Stall wird abgetragen.

Baubewilligung durch Stadt Völkermarkt

Die Baubewilligung folgt am 17. März des gleichen Jahres (sie wird am 26. Juni 2018 per Bescheid abgeändert). Aussteller ist die Stadt Völkermarkt. Und noch heute werden die beiden genehmigten Bauten in behördlichen Unterlagen als „landwirtschaftliches Betriebsgebäude“ und „Buschenschank“ bezeichnet. Ersteres zurecht. Ob letzteres tatsächlich eine Buschenschank ist, darüber herrschen nun grobe Zweifel. Doch der Reihe nach.

2014 kauft die damalige Vineyard Weinbau und Entwicklung GmbH der in Tainach beheimateten Familie Kügler die Liegenschaft ab. Kaufpreis: 650.000 Euro. Für 19,8 Hektar großteils land- und forstwirschaftlicher Fläche. Die Weingärten haben laut Eigenangaben heute eine Fläche von etwa 20 Hektar. Vertrauliche Dokumente sprechen von 11,5 Hektar, davon auch zugepachtete Flächen. Andere Quellen, etwa die „Kleine Zeitung“, berichteten 2021 über 23 Hektar, auf denen 100.000 Weinreben stünden. Winzerin Orasch betreibt Bio-Weinbau. Und ist dekoriert: Sie gewann die „Women’s International Trophy“ für ihren Sauvignon Blanc.

„Exklusive Gourmetküche mit Fernblick und Toskana Feeling“

Zumindest ab 2021 gerät das Grundstück quasi in ein Widmungskarussel. Offenbar wollte die preisgekrönte Winzerin in einem ersten Schritt einen Teil der Domäne von „Grünland – Land- und Forstwirtschaft“ auf „Bauland Kurgebiet“ umwidmen lassen. Dabei handelt es sich um eine rund 13.000 Quadratmeter große Teilfläche. Das ist genau jenes Stück Land, auf dem im Mai 2021 „Das Lilienberg“ eröffnet wurde. Die Medien überschlugen sich damals mit kulinarischen Superlativen über den neuen Speisetempel: Eine „Gourmetoase“ (Kleine Zeitung), ein „Gourmet-Restaurant“ (meinbezirk.at), „Top-Restaurant“ (Falstaff) und auch in der Selbstpräsentation sieht man sich als lukullisches Zentrum des Feinschmeckertums: „Exklusive Gourmetküche im Weingarten mit Fernblick und Toskana Feeling“ – eine recht avantgardistische Beschreibung für eine Buschenschank.

Das Grundstück 2015 (Quelle: Google Earth)
Das Grundstück 2021: Rechts im Vordergrund „Das Lilienberg“ mit Terrasse (Quelle: Google Earth)

Balsamico statt Brettljause

Auch beim Interieur setzt Winzerin Orasch nicht auf profane Holzbänke und Strick-Tischdeckchen, sondern auf prunkvolle Edeleinrichtung. Motto: Pomp statt Brettljause. Doch der Widmungswunsch Oraschs – „Bauland Kurgebiet“ – stößt zwei Monate nach Eröffnung des Edel-Restaurants beim Land auf wenig Gegenliebe. Dem Begehren wird keine Zustimmung erteilt. Dafür spielt die Behörde aber den Berater für die Domäne und empfiehlt eine „Bauland-Kurgebiet-Rein“-Widmung. Dies aber nicht auf den gewünschten 13.000, sondern besser nur auf 9.900 Quadratmetern, „um nicht eine Abwicklung im integrierten Verfahren durchführen zu müssen“. Ab 10.000 Quadratmetern hätte nämlich ein Teilbebauungsplan eingereicht werden müssen.

Der Völkermarkter Gemeinderat hatte zuvor beide Widmungsbegehren, also „Bauland Kurgebiet“ und „Bauland Kurgebiet Rein“, durchgewunken. Doch die Abteilung Naturschutz beim Land Kärnten macht der Domäne einen Strich durch die Rechnung: Sie befürchtet „eine weitere touristische Entwicklung in exponierter Lage“. Mit der Widmung „Bauland Kurgebiet Rein“ wäre nämlich eine gewerblich-touristische Nutzung des Areals möglich: Also etwa ein Hotel.

Das war vor meiner Amtszeit. In der Verwaltung sind keine Fehler passiert. Und es ist ein laufendes Verfahren. Dazu sage ich nichts.

Markus Lakounigg, Bürgermeister Völkermarkt (SPÖ)

Stadt Völkermarkt musste Antrag zurückziehen

Die Folge: Die Stadt Völkermarkt musste den Widmungsantrag zurückziehen. Zu dieser Zeit, Ende 2021, ist die Domäne Lilienberg Weinbau GmbH stark verschuldet. Sie hat ein negatives Eigenkapital von über zwei Millionen Euro. Ihr angehäufter Bilanzverlust beträgt 4,7 Millionen. Die Verbindlichkeiten belaufen sich auf 9,6 Millionen Euro. Im offenzulegenden Anhang der Bilanz ist eine „Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts“ deshalb nicht gegeben, „da sich die Lilihill Capital Group GmbH in einer Rangrücktrittserklärung dazu verpflichtet hat, mit ihren Forderungen gegenüber der Gesellschaft in Höhe von EUR 3.000.000,00 hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger (…) zurückzutreten“.

Keine Überschuldung, da Immobilienunternehmer Franz Peter Orasch mit seinen Forderungen hinter andere Gläubiger zurücktreten würde.

Widmungsrallye geht weiter

Im Dezember 2022 geht die Widmungsrallye weiter: Drei Tage vor Weihnachten beschließt der Völkermarkter Gemeinderat eine Umwidmung von gut 8.900 Quadratmetern von „Land- und Forstwirtschaft“ in „Grünland-Hofstelle eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes“. Im heurigen Frühjahr tauchen dann Gerüchte auf, Orasch hätte keine Betriebsstättengenehmigung für das hoch gelobte Haubenlokal. Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt würde deshalb sogar Strafbescheide erlassen. Das erschiene jedoch sonderbar: Denn es stimmt zwar, dass die Domäne Lilienberg Weinbau GmbH laut GISA-Auszug keine Gewerbeberechtigung für einen Restaurantbetrieb hat, sondern vielmehr auf einer bloßen Imbiss-Berechtigung sitzt. Allerdings verfügt die Lilienberg Gastro, Event & Catering GmbH, auch sie hat ein negatives Eigenkapital von über 200.000 Euro, über eine Gewerbeberechtigung als Restaurant. Beide Gewerbe-Informations-System-Auszüge (GISA) sind auf Franz Peter Orasch ausgestellt.

Amtsverschwiegenheit.

Gert-Andre Klösch, Bezirkshauptmann Völkermarkt, auf die Frage, ob das Gourmetrestaurant bei der BH auffällig wurde?

Völkermarkter Bürgermeister mit lauem Interesse

Den Völkermarktner Bürgermeister Markus Lakounigg (SPÖ) scheint die Frage, ob aus einer genehmigten Buschenschank ein Hochpreis-Restaurant wurde, nicht sonderlich zu interessieren. Obwohl die Baubewilligung von der Stadt Völkermarkt ausgestellt wurde, sagt Lakounigg: „Das war vor meiner Amtszeit. In der Verwaltung sind keine Fehler passiert. Und es ist ein laufendes Verfahren. Dazu sage ich nichts.“ Damit hat er etwas gemein mit Gert-Andre Klösch. Auch der Völkermarkter Bezirkshauptmann möchte sich zum Thema nicht äußern: „Amtsverschwiegenheit“.

Franzosen legten sich gegen „Schampusseria“ quer

Die Wortbildmarke „Schampusseria“ wurde beim Patentamt übrigens wieder gelöscht. Nur ein paar Tage nachdem sie registriert wurde. Französische Champagner-Produzenten legten sich gegen Oraschs Marke quer. Dafür hat sich die Winzerin das sogenannte „Zuckerkarussel“ beim Patentamt genehmigen lassen. Erst vor wenigen Monaten: Am 9. Februar 2023. Dabei geht es um allerlei exklusive Köstlichkeiten, mitunter um süße Trüffel.

Die Klasse 30 des „Zuckerkarussels“ (Quelle: Patentamt)

Trüffel und Pralinen

Auch bei Trüffel und Pralinen dürfte es sich nicht zwingenderweise um originäre Buschenschankprodukte handeln. Die Domäne Lilienberg hat auf eine entsprechende Anfrage (die der Autor für den „Kärntner MONAT“ gestellt hatte, für den er auch schreibt) nicht geantwortet. Und auch wenn Lakounigg und Klösch zur Sache lieber schwiegen, es bleiben Fragen offen: Vom Land wurde 2016 per Bescheid eine Buschenschank genehmigt. Hat die Stadt Völkermarkt daraufhin eine Baubewilligung für ein Gourmetrestaurant erteilt? Und: Wie kann das Land Kärnten noch immer annehmen, dass es sich um eine Buschenschank handle, wenn sich Medien seit 2021 mit Superlativen über „Das Lilienberg“ überschlagen?

Der bemühte Sachbearbeiter des Falls im Völkermarkter Gemeindeamt jedenfalls sagt, dass mit der nunmehr geplanten Umwidmung in „Hofstelle eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes“ alles in Ordnung sei. „Das wird gerade vom Land beschlossen.“ In „ein, zwei Wochen ist das fertig“. Und mit der Hofstellen-Widmung „kann man dann alles machen“. Offenbar auch ein hochpreisiges Gourmetmekka.

Übrigens – für den gutbetuchten Hunger: Im Restaurant kocht am 11. Juni der Sternekoch Juan Amador auf. Er hat laut Orasch 100 Falstaff-Punkte. Kredenzt wird ein „Four Hands Dinner“. Für eine Buschenschank erscheint der Preis allerdings etwas gewöhnungsbedürftig: 495 Euro. Pro Kopf. Mahlzeit!

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Foto(s): aufgeschnappt.at, FH Wien

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