Wie die Stadt Klagenfurt zugunsten von Franz Peter Orasch auf Millionen verzichtete

Orasch wollte die Kette Hilton nach Klagenfurt holen. So sollte das prominente Gebäude am Neuen Platz 2 nach Umbau aussehen (c) Lilihill/Leisure
Orasch wollte die Kette Hilton nach Klagenfurt holen. So sollte das prominente Gebäude am Neuen Platz 2 nach Umbau aussehen (c) Lilihill/Leisure

Im Klagenfurter Rathaus rauchen die Rechenschieber. Die Magistratsjuristen zerbrechen sich den Kopf über ein Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite: Den Neuen Platz 2 – ein historisches Gebäude, keine 20 Meter von Klagenfurts Machtzentrum entfernt. Die Juristen brüten über einem knapp fünf Jahre alten Baurechtsvertrag, den die Stadt Klagenfurt kurz vor Weihnachten 2020 mit der LHH3 Immobilien GmbH unterzeichnet hat. Einem Unternehmen des – mittlerweile von Exekutionen bedrohten – Immobilienunternehmers Franz Peter Orasch und seiner Lilihill-Gruppe.

Der Baurechtsvertrag erlaubte Orasch den Umbau des kleinen, aber prominenten Altstadtgebäudes, das sich seit geraumer Zeit im Besitz der Stadt befindet. In dem Haus befand sich einst die alte Hauptwache, heute ist dort ein Reisebüro eingemietet. Das Bauwerk war Teil der Einkaufstour, in der Orasch in den letzten 15 Jahren fast wie am Fließband Spitzenadressen in der Klagenfurter Altstadt aufkaufte. Darunter auch das sogenannte Salzamt, ein markantes Altstadtpalais, das Rücken an Rücken mit dem Gebäude am Neuen Platz 2 steht. Im Salzamt wollte Orasch ein Hotel verwirklichen, betrieben von der internationalen Kette Hilton. Das Salzamt sollte noch eine wichtige Rolle spielen. Aber der Reihe nach.

Baurecht nicht mal die Hälfte der Miete

Wie Mediapartizan-Recherchen nun ergaben, bekam Orasch das Baurecht für den Neuen Platz 2 zu achtbaren Konditionen. Zwar kam der Bauzins, den Orasch jährlich an die Stadt zu entrichten hat, bald nach Vertragsabschluss an die Öffentlichkeit. Nicht aber die konkreten Einnahmen, auf die die Stadt mit Unterzeichnung des Vertrags verzichtete. Denn schon lange vor Abschluss des Vertrags war (und ist noch immer) das bereits erwähnte Reisebüro in das Gebäude eingemietet. Und das zahlte ab 1. Jänner 2008 rund 38.200 Euro Miete pro Jahr an die Stadt. Das geht aus dem Mietvertrag zwischen der Stadt und dem Reisebüro hervor. Orasch hingegen sollte das Baurecht um 15.000 Euro pro Jahr bekommen – weniger als die Hälfte.

Drei Millionen Euro Mindereinnahmen

Rechnet man die Differenz auf die Laufzeit von 50 Jahren – plus 30 optionale Jahre – linear hoch, bedeutet dies Mindereinnahmen von 1,85 Millionen Euro für die Stadt. Wertgesichert war die Stadt offenbar sogar bereit, bis ins Jahr 2100 – dem Ende der optionalen Laufzeit – auf rund drei Millionen Euro zu verzichten. Die Summe abgezinst bei einem Prozentsatz von angenommenen drei Prozent ergäbe für das Jahr 2021 einen Betrag von rund 300.000 Euro.

Mietvertrag: Knapp 3.200 Euro netto zahlte das Reisebüro monatlich an die Stadt. Vertragsdatum war 2005.

Der Baurechtsvertrag wurde von der damaligen Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) und dem seinerzeitigen Stadtrat Markus Geiger (ÖVP) unterzeichnet, wobei der aktuelle Bürgermeister Christian Scheider (FSP) dafür gesorgt hat, dass der Vertrag im September 2021 mittels Nachtrag Rechtskraft erlangte. Denn im Ursprungspapier war vereinbart worden, dass das Baurecht erst schlagend werde, wenn eine Baubewilligung vorliege.

Kein Umbau: Das Haus Neuer Platz 2

Geiger verteidigte damals die – ohne Ausschreibung erfolgte – Vergabe gegenüber „5Minuten.at“ mit der Begründung, dass die Stadt keinen Aufwand für die Erhaltung des Gebäudes mehr hätte.

Stadt verwehrt konkrete Auskunft

Eine Baubewilligung liege vor, erklärt die Stadt auf Anfrage. Ein Insider aber stellt differenzierend fest: Die Baubewilligung gelte nicht für das Hotel, sondern für Oraschs Ursprungs-Einreichung: Ein Kaufhaus im Salzamt. Die Adresse Neuer Platz 2 sollte etagenmäßig aufgedoppelt, obenauf eine Terrasse entstehen und Gastro-Akzente gesetzt werden. Genau lässt sich eine Baubewilligung aber nicht rekonstruieren. Magistratsdirektorin Isabella Jandl verwehrte weiterführende Auskunft zur Causa. Begründung: „Laufendes Verfahren.“

Offene Mieten

Dieses Verfahren betrifft einen Exekutionstitel, den die Stadt gegen Oraschs LHH3 erwirkt hat. Darin geht es um gut 78.000 Euro. Wie sich diese Summe zusammensetzt, auch darauf verweigerte die Stadt die Auskunft. Es könnte sich dabei aber um offene Mietzahlungen handeln, die Orasch nicht an die Stadt abgeführt hat. Denn das Rathaus verpflichtete den Immobilienunternehmer, der Stadt für die Zeit zwischen Rechtsgültigkeit des Vertrags (September 2021) und Baubeginn weiterhin die (höhere) Miete des Reisebüros durchzureichen. Orasch ist nämlich in den Mietvertrag mit dem Reisebüro eingetreten. An anderer Stelle im Baurechtsvertrag bestimmt die Stadt Orasch, die Miete weiterzugeben, solange „nicht binnen 3 (drei) Jahren ab Baubeginn die Baufertigstellung erfolgt“.

Sollte zu einem Hilton-Hotel werden: „The Salzamt“

Stadt verzichtete auf Vorkaufs- und Wiederkaufsrecht

Beim Bauzins war die Stadt gnädiger: Den muss Orasch laut Vertrag erst nach Ablauf von drei Jahren ab Baubeginn bezahlen – der bis heute sichtbar nicht erfolgt ist. Auch in einem weiteren Punkt zeigte sich die Stadt kulant gegenüber Orasch: Sie ließ ihr grundbücherlich einverleibtes Vorkaufs- und Wiederkaufsrecht für den Neuen Platz 2 löschen. Stattdessen ließ sie zu, dass Orasch ein Vorkaufsrecht für die Liegenschaft einverleibt wurde.

Im Baurechtsvertrag ist davon die Rede, dass der Deal rückabzuwickeln sei, sollte nicht „bis längstens 6 (sechs) Jahre nach dem Zeitpunkt der Unterfertigung dieses Baurechtsvertrages“ eine Baubewilligung vorliegen. Nun stellt sich die knifflige Frage, wie die Baubewilligung für das nicht zustande gekommene Kaufhaus zu bewerten ist? Und ob der Baurechtsvertrag überhaupt rückabwickelbar ist, da Scheider den Vertrag im September 2021 ja in Rechtskraft versetzte?

Orasch durfte Baurecht belasten

Heute befindet sich das Baurecht in einem Zwangsversteigerungsverfahren, wie die Mediensprecherin des Bezirksgerichts Klagenfurt, Martina Löbel, sagt. Die Stadt gewährte Orasch nämlich die Belastung des Baurechts für die Aufnahme von Millionenkrediten, die er für den Umbau des Salzamts und des Neuen Platz 2 benötigte. Und offenbar nicht in ausreichendem Umfang zurückzahlte. Ansonsten die RLB Oberösterreich als Kreditgeber wohl nicht die Versteigerung des Salzamts und des Baurechts für den Neuen Platz 2 angestrengt hätte.

Gleich wie die Stadt Klagenfurt antwortete auch die Lilihill-Gruppe auf einen umfangreichen beziehungsweise ergänzenden Fragenkatalog nicht. Auch die RLB Oberösterreich ließ eine Antwort auf eine Presseanfrage offen.

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