Sechs Fragen zur Überstunden-Affäre oder: Wie geht sich das für Scheider noch aus?

Bürgermeister Christian Scheider (c) StadtKommunikation/Spatzek
Bürgermeister Christian Scheider (c) StadtKommunikation/Spatzek

Kommentar

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft also auch gegen Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten). Die Überstunden-Affäre im Klagenfurter Rathaus hat den Stadtchef eingeholt: Sein Magistratsdirektor Peter Jost rechnete im Jahr 2022 arbeitsintensive 800 geleistete Überstunden ab. Gegenwert rund 66.000 Euro brutto. Scheiders Büroleiter Patrick Jonke lag nur knapp dahinter: Er verrechnete der Stadt (noch als Leasingkraft) laut Stadtrechnungshof in einem Jahr schnittige 691 geleistete Überstunden. Die kosteten den Steuerzahler laut „Kleine Zeitung“ rund 62.000 Euro.

Gegen Scheider wird nun wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt. Der Ordnung halber ist festzuhalten, dass gegen Scheider nicht wegen der insgesamt 800 Überstunden Josts ermittelt wird, sondern wegen darin enthaltener 300 Mehrstunden, die Jost quasi als Gegenleistung für seine Geschäftsführer-Tätigkeit in der stadteigenen Sportpark GmbH ausbezahlt bekommen haben soll. Soweit die Klarstellung.

Was dem und der gepeinigten Klagenfurter SteuerzahlerIn jedoch nicht ganz kristallklar sein dürfte, sind folgende sechs Punkte:

  1. Ein Norm-Arbeitsmonat eines üblichen Mitarbeiters hat ungefähr 174 Stunden (40 h pro Woche x 4,33 Wochen im Monat). Auf Norm-Arbeitsbasis hätte Jonke demnach neben den 12 Kalendermonaten vier zusätzliche Monate arbeiten müssen (691 Überstunden/174 h Norm-Arbeitsmonat). Natürlich, man kann sagen: Jonke hat kein Norm-Arbeitsverhältnis, sondern muss mit Scheider auf jeder Veranstaltung sein. Tatsächlich? Muss er das? Als Büroleiter?
  2. In der Rechnung sind mögliche Urlaubstage, Krankenstände, Zeitausgleich etc. Jonkes noch gar nicht berücksichtigt. Und Jonke ist nebenher auch noch Unternehmer, Klubobmann und Gemeinderat. Wie geht sich das aus? Irgendwann muss man auch schlafen.
  3. Laut Stadtrechnungshof, jedenfalls berichtet es die „Kleine Zeitung“ so, gab es für Jonkes Überstunden keine „überprüfbare Leistungsdokumentation“. Der Freigabeprozess im Bereich des Bürgermeisterbüros ist so gestaltet, dass die Magistratsdirektion – in letzter Konsequenz also der Magistratsdirektor – Jonkes Überstunden freigibt. 691 Überstunden „ohne überprüfbare Leistungsdokumentation“ – hat hier jemand seine Aufsichtspflicht verletzt?
  4. Die Prüfung des Stadtrechnungshofs betraf die Zeitspanne von März 2021 bis März 2022 (dann wurde Jonke in den direkten Stadtdienst übernommen). Bei einer noch tiefer gehenden Recherche wäre es möglicherweise interessant zu kontrollieren, in welchen Monaten genau Jonkes Überstunden signifikant ausschlugen. Dies war mitunter von Dezember 2021 bis März 2022 der Fall. Gut, im März 2022 erfolgten letzte Ausgleichszahlungen aus dem Leasingverhältnis. Aber warum traten genau in den drei Monaten davor eklatant hohe Überstunden auf? Zu der Zeit war der Gemeinderatswahlkampf längst vorbei und der Landtagswahlkampf noch in weiter Ferne. Abgesehen davon hätte Jonke solche Aufwände wohl eher als Klubobmann am Parteikonto verbuchen müssen. Die Frage ist also, warum traten genau in diesem Zeitraum besonders hohe Überstunden auf?
  5. Jost wurde eine sogenannte Paragraf-30-A-Zulage zuteil. Im Gehaltsgesetz 1956 wird diese folgend beschrieben: „Durch die Verwendungszulage nach Abs. 1 Z 3 gelten alle Mehrleistungen des Beamten in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht als abgegolten.“ Jetzt ergibt sich die spannende Frage: Durfte Jost die Überstunden trotzdem verrechnen? Und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?
  6. Paragraf 79 des Klagenfurter Stadtrechts besagt, „der Bürgermeister ist der Vorstand des Magistrates. Ihm unterstehen die Bediensteten der Stadt“. Und zwar alle. Auch der Magistratsdirektor. Es gibt Juristen, die meinen, Scheider hätte sich selbst mit seiner Anordnung aus dem Jahr 2014 nichts Gutes getan. Darin hatte der Bürgermeister (in seiner ersten Amtszeit) Jost erlaubt, seine Überstunden im Verhältnis 1:1 abzurechnen. Juristen fragen deshalb, ob Scheider damit die Kontrolle über Josts Überstunden aus der Hand gegeben haben könnte? Womit die letzte Frage aufkäme: Hat Scheider dadurch seine Dienstaufsichtspflicht verletzt? Und: Hätte es für die Überstunden-Genehmigung einen Stadtsenatsbeschluss gebraucht? Wenn ja: Hat Scheider den?

Noch nie so nah an Neuwahlen

In Summe geben also in der Überstunden-Affäre im Klagenfurter Magistrat mindestens sechs Fragen Rätsel auf. Fragen, die derzeit die Behörden versuchen zu klären. Am 7. November findet der nächste Gemeinderat statt. Zu welchem Ergebnis die Ermittlungen auch immer kommen, so nah an Neuwahlen war die Stadt die letzten zweieinhalb Jahre nicht. Das aber nicht (nur) wegen der ungustiösen Überstunden-Causa, sondern hauptsächlich wegen des möglicherweise nicht zu erreichenden Budgets fürs nächste Jahr. Doch das wäre der Sache nicht dienlich: Alle Aufklärung fiele dem Trubel und der Ablenkung zum Opfer.

Für alle von Ermittlungen betroffenen Personen gilt die Unschuldsvermutung.

4 Kommentare

  1. Ob Neuwahlen etwas ändern? Der Durchschnitts-Österreicher zeigt ja laufend, dass er/sie einfachste Zusammenhänge nicht versteht … dann wird wieder ein Liedchen angestimmt und ein paar alten Frauen Blumen übergeben und alles ist gut. Ausserdem sieht es beim „Mitbewerb“ nicht viel besser aus. Klagenfurt hat es nicht leicht…

  2. Für die Führung dieser Stadt muß man sich fremdschämen. Eine in der Privatwirtschaft nicht tolerierbare Inkompetenz (weil das Unternehmen in kürzester Zeit konkursreif wäre und Arbeitsplätze verloren gingen), wird hier zum Normalstatus erhoben. Beispiel Hallenbad: seit 20 Jahren ist der Stadtführung bekannt, dass das alte Hallenbad entweder saniert oder neu errichtet werden muß. Nach 20 Jahren Untätigkeit sind die Baukosten explodiert und die Kosten haben sich im Vergleich zu 2003 verzigfacht. Ein Hallenbad, für das mit Stand 2018 etwa 50 Mio. Euro veranschlagt waren, hätte man damals um 15 – 20 Mio. bauen können. Heute wird man mit 50 Mio. nicht mehr auskommen und bewegt sich eher Richtung 70 Mio. Und der Herr Bürgermeister war bereits vor 20 Jahren Teil dieser Stadtführung. Hat aber sicher wieder von nix gewußt. Parteifreunde (Strutz, Petritz, jetzt auch Koloini?) werden im Stadtdienst versorgt, egal wie prekär die Finanzsituation ist. Die Causa Jost spricht in ihrer abstoßenden Mentalität ohnehin für sich, hier noch ein Ämtchen, dort noch eine Zuständigkeit. Und dafür dann Zulagen und Überstunden bis zum teuersten Magistratsangestellten Österreichs. Und das sind nur die Spitzen eines Eisbergs. Verwaltungsreform mit sinnvoller Aufgabengestaltung und Digitalisierung für bessere Verwaltungseffizienz? Fehlanzeige. Angeblich hat die Stadt noch bis 2013 jedem Neueintretenden Pensionsausgleichszusagen gemacht, um dieselben Zusatzpensionen wie in Altverträgen üblich waren für diese Neueintritte noch zu erhalten. Ist ein Gerücht, wäre aber etwas, was man verifizieren könnte… jedenfalls gibts noch eine Menge weiterer Baustellen wie Klagenfurt Wohnen etc. pp. und die Stadt steht offenbar vor der Pleite. Ohne zusätzliche Schulden wird man das wahrscheinlich nicht stemmen können, wenn man den Zeitungsmeldungen Glauben schenken darf.

  3. Das Schlimmste an alldem: Niemand geniert sich. Weder der gelbe Bürgermeister, noch der rote Vizebürgermeister, noch der Magistratsdirektor, noch das andere Gesindel um sie herum.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*