Im Mekka der Überstunden

Das Klagenfurter Rathaus
Das Klagenfurter Rathaus

Nur kurz ist es um Martin Strutz ruhig gewesen: Nach einem Bericht des „Kärntner MONAT“ im Mai 2021, wonach Strutz einen Provisionsvertrag mit einem Bauunternehmer hatte, der im Konflikt zu seinem Job bei der Stadt Klagenfurt hätte stehen können, wurde der ehemalige FPÖ-Politiker kalt gestellt. Aber die Abkühlung war nur von kurzer Dauer: Strutz wurde verwarnt und verlor für gut vier Monate seine Jobbezeichnung „Projektkoordinator der Stadt“. Im Oktober 2021 hatte er seinen alten Job wieder. Strutz wurde per – interner – Ausschreibung wieder sein voriges Amt zugesprochen. Und ein Angestelltenverhältnis gab´s dazu. Zuvor war er „nur“ Leasingmitarbeiter. Ausgeliehen von der Firma APS (Austria Personal Service).

Zeug zur Affäre

Jetzt sind abermals Papiere über Martin Strutz aufgetaucht. Und zwar hochsensible: Mediapartizan.at ist im Besitz der Überstundenabrechnung des ehemaligen blauen Spitzenpolitikers. Und die könnte auch für seinen unmittelbaren Vorgesetzten, Magistratsdirektor Peter Jost, noch brisant werden. Jost steht derzeit wegen 800 geleisteter Überstunden, die er sich im Jahr 2022 auszahlen hat lassen, selbst im Fokus der Stadtpolitik. Für diese 800 Plusstunden bekam Jost rund 66.000 Euro brutto – zusätzlich zu seinem ohnehin stattlichen Gehalt.

Jost genehmigte Strutz allein im November 45 Überstunden

Strutz: Fast 370 bezahlte Überstunden

Doch Jost ist nicht allein: Die Überstundenabrechnung von Strutz zeigt, dass dieser sich bis November 2022 rund 368 geleistete Überstunden auszahlen ließ. Mit dem Segen des Magistratsdirektors. Der genehmigte Strutz die November-Überstunden mit einem knappen „OK“ auf dem Überstundengesuch. Allein in diesem Monat sind 45 Zusatzstunden an Strutz ausbezahlt worden. Die Kosten dafür stehen nicht auf der Abrechnung. Die Verrechnung der geleisteten Überstunden ging aber auch im Jänner weiter: Hier sind auf seinem Lohnzettel 25 Überstunden vermerkt. Sie kosteten die Stadt 1.353 Euro. Mitsamt Zulagen liegt Strutz´ Bruttogehalt im Jänner im hohen einstelligen Tausenderbereich.

Die Stundenabrechnung von Strutz: Bis November 2022 wurden ihm fast 370 Überstunden ausbezahlt

Jost genehmigte auch Jonke-Überstunden

Im Fahrtwind mit der im Vorjahr aufgetauchten Überstunden-Causa von Patrick Jonke, dem Büroleiter von Bürgermeister Christian Scheider, hat das Thema inzwischen das Zeug zur Affäre. Im November 2022 war öffentlich geworden, dass Jonke der Stadt mitsamt Überstunden in nur vier Monaten fast 84.000 Euro gekostet hatte, wie die „Kleine Zeitung“ schrieb. Auch er war damals noch über die APS geleast worden. Und auch ihm wurden die Überstunden von Jost genehmigt. Das zeigt ein Mediapartizan.at vorliegender stadtinterner Freigabeprozess.

Jonke kostete 27.000 Euro im März 2022

Jonke hatte laut internen Stadtdokumenten hohe Kontingente an Überstunden geleistet und verrechnet. Im Dezember 2021 etwa kostete er die Stadt mitsamt Überstunden 19.000 Euro. Seine Grundkosten lagen laut dem Vertrag der Stadt mit der APS aber lediglich bei 8.415 Euro (siehe Faksimile).

Im Jänner 2022 kostete Jonke dann schon rund 20.700 Euro. Das zweieinhalbfache der Basiskosten. Der Februar schlug mit 16.700 Euro zu Buche. Im März gipfelten die Leasingkosten für Jonke dann in satten 27.200 Euro.

Vergebene Chance

Die 800 Plusstunden Josts, so Stadtchef Scheider, seien nicht nur für 2022 angefallen, „sondern beinhalten Überstunden auch aus zurückliegenden Jahren“. Dennoch scheint Scheider eine Chance vertan zu haben: Gerade bei Strutz, dessen Wechsel von der Leasingkraft in den direkten Stadtdienst in Scheiders Amtszeit fiel, hätte dieser auf einen All-In-Vertrag pochen können. Diese Art von Arbeitsverhältnissen wird etwa von den Neos schon länger gefordert. Dabei gibt es ein etwas höheres Gehalt, das aber jede Mehrleistung (Überstunden) bereits beinhaltet. Jetzt ist Scheider die Überstunden-Causa offenbar nicht mehr ganz koscher: Nachdem Mediapartizan.at ihn gestern mit Strutz´ Überstunden konfrontierte, ließ Scheider per Presseaussendung wissen, dass er „als Personalreferent die Fachabteilung mit der Ausarbeitung eines einheitlichen, transparenten und nachvolziehbaren Entlohnungsmodells beauftragt“ habe. Er wolle „einen Systemwechsel“, erklärt Scheider, der betont, dass Jost und Strutz auch schon unter seiner Vorgängerin Maria-Luise Mathiaschitz „im selben Ausmaß Überstunden ausbezahlt wurden“.

Scheiders Büro antwortet auf die Frage, wie eine solche Anzahl von Überstunden zustande kommen könne, folgend: Strutz habe „umfangreich beauftragte Aufgaben“ zu erledigen. „Umgerechnet auf den einzelnen Arbeitstag ergibt das rund eineinhalb Arbeitsstunden pro Arbeitstag.“ Linear gerechnet kommt das hin, vernachlässigt aber, dass Strutz 2022 womöglich Urlaubstage, vielleicht Krankenstand, tatsächlichen Zeitausgleich oder sonstige Abwesenheit hatte. Wendet man den Regelstundensatz eines normalen Mitarbeiters an, das sind etwa 173 Stunden im Monat, müsste Strutz bis Ende November 2022 mehr als zwei Monate zusätzlich gearbeitet haben.

Jost selbst entzog den Mitarbeitern die Genehmigung von Überstunden „mit sofortiger Wirksamkeit“

Brisant: Jost untersagte Überstunden per Anordnung

Zusätzlichen Zündstoff erhält die Überstunden-Causa durch Jost selbst: Der untersagte den Rathaus-Mitarbeitern in einer eigenen „Anordnung“ vom 8. Juli 2015 das Absolvieren von Überstunden: „Sämtliche Genehmigungen von Überstunden sind mit sofortiger Wirksamkeit aufgehoben“, schrieb Jost an alle Abteilungen, Stabstellen und Dienststellen. In dieser Anordnung betont Jost, dass letztlich nur die Magistratsdirektion, also er selbst, Überstunden genehmigen dürfe. Primär, so bestimmt er, müssten die genehmigten Überstunden als Zeitausgleich konsumiert werden. Ausgenommen davon seien Mitarbeiter, bei denen „eine Zeitausgleichkonsumation organisatorisch nicht zielführend erscheint“.

Offenbar hat er damit (auch) sich und ein paar Untergebene gemeint.

3 Kommentare

  1. Wenn Rathausbeamte in der Nacht von Klagenfurt träumen schreiben sie 100-prozentige Überstunden, bei Tagträumen gebühren nur 50-prozentige.
    Und am 21. März gibt es 24 Stunden lang 300-prozentige für den Übergang vom Winterschlaf auf die Frühjahrsmüdigkeit.

  2. Im vergangenen Dezember hatte ich in einem Kommentar geschrieben:

    „Die Hoffnung auf Besserung nach der Zeit des Stillstandes, Intransparenz und kleinlicher Machtpolitik der letzten Legislaturperiode hat sich leider schnell verflüchtigt: unter anderen Vorzeichen geht es genauso weiter wie vorher in Klagenfurt am Fuße des Wörthersees. Nur die Rollen haben sich verändert: der Frontmann agiert als Grüßaugust, irgendwelche fragwürdigen Gestalten im Hintergrund überlegen sich taktische Spielchen und die Fäden werden offenbar noch immer von einem inzwischen emotionale Briefe schreibenden alternden Beamten gezogen.“

    Und es wird offenbar immer schlimmer: All diese Gestalten bereichern sich auch noch mit absurden „Überstunden“ am Geld der Bürgerinnen und Bürger. Wobei ich davon ausgehe, dass das immer schon so war, aufgrund anderer politischer Machtverhältnisse aber erfolgreicher unter den Teppich gekehrt wurde.

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