„Ausgeschöpft, Zahlungsunfähigkeit“ und „Vermögensveräußerungen“: Der Beipackzettel zum Klagenfurter Budget

Die Finanzen der Stadt Klagenfurt sind marode. (c) Karlheinz Fessl
Die Finanzen der Stadt Klagenfurt sind marode. (c) Karlheinz Fessl

Im Rathaus zu Klagenfurt herrscht Hochbetrieb. Das Adrenalin auf den Gängen ist geradezu spürbar. Der Grund: In knapp 24 Stunden wird dem Gemeinderat der Budgetvoranschlag 2024 der sechstgrößten Stadt Österreichs mit nahezu 400 Millionen Euro Einnahmen bzw. Ausgaben präsentiert. Wobei die Ausgaben um Etliches höher sind als die Einnahmen.

Vor knapp drei Wochen präsentierten Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten) und Finanzreferent Philipp Liesnig (SPÖ) den Budgetvoranschlag. Liesnig referierte damals ein Minus von 6,1 Millionen Euro (Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben). Anfang Jänner war der Voranschlag sozusagen als Erfolg in letzter Minute präsentiert worden. Denn davor klafften zweitweise rund 40 Millionen Euro Minus in der Prognose. Damit konnte eine Zwölftelregelung vermieden werden, bei der nicht mehr als ein Zwölftel des Vergleichszeitraumes des Vorjahres ausgegeben werden darf. Und Vereine lang auf Subventionen hätten warten müssen.

Brisanter Beipacktext

Doch wie interne Papiere jetzt zeigen, fällt der Voranschlag nicht so erfolgreich aus, wie er präsentiert wurde. Im Referentenantrag Liesnigs – die Unterschrift des Finanzabteilungsleiters Christoph Wutte wurde verweigert, wie die „Kleine Zeitung“ berichtete – stehen zum Teil brisante Eckpunkte. Die -6,1 Millionen im Gesamthaushalt werden nämlich nur erreicht, weil den Gebührenhaushalten Kanal und Müllentsorgung sogenannte Innere Darlehen in Höhe von 10,6 Millionen Euro entnommen werden. Damit steht vor dem sogenannten Allgemeinen Haushalt ein Minus von 16,7 Millionen Euro. Nimmt man die zu tätigenden Millioneninvestionen noch mit hinzu, liegt das Nettoergebnis nach Rücklagengebarung sogar bei minus 59,5 Millionen Euro. Der Nettofinanzierungssaldo beträgt 62,7 Millionen Euro.

Innere Darlehen aus den Gebührenhaushalten können sich zur einer tickenden Zeitbombe entwickeln, weil etwa im Bereich Kanal die Gebühren, die die Bürger zu leisten haben, so lange angespart werden, bis sich die Sanierung einer Kläranlage ausgeht. Nimmt man diese Gelder dann aber zur Deckung des Minusbetriebs in der Magistratsverwaltung, muss man es irgendwann zurückzahlen. Hat man es nicht, gibt es keine Kläranlage. Wie die Finanzabteilung argwöhnt, sind liquide Mittel im Kanalbereich kaum mehr vorhanden.

Warnung vor Supergau

Doch der Antrag spart auch in anderen Punkten nicht mit Kritik an der Finanzgebarung der Stadt. Nicht nur dass Wutte, Rechnungswesen-Chef Klaus Thuller und Ex-Magistratsdirektor Peter Jost schon im Herbst 2023 in einem Schreiben vor einem finanziellen Desaster warnten, mahnen die Finanzer nun ein weiteres Mal zu „sofortigen massiven Gegensteuerungsmaßnahmen“. Sonst drohe die „Gefahr der zukünftigen Zahlungsunfähigkeit“. Denn „die hoch negativen Ergebnisse der operativen Gebarung im Allgemeinen Haushalt können nicht mehr durch Innere Darlehen ausgeglichen werden“. Was die Sachlage deutlich verdüstert.

Maastricht-Kriterien „klar verfehlt“

Zusammengefasst heißt das, dass der Magistratsbetrieb zu teuer ist. Und ein weiteres Damokles-Schwert hängt über dem Voranschlag: 2020 hatte die EU aufgrund der Corona-Pandemie die Maastricht-Kriterien aufgeweicht. Das sind Vorgaben, die eine übermäßige Verschuldung der öffentlichen Hand verbieten. Nun, so die Finanzabteilung, zurrt die EU die Zügel aber wieder fest: „Mit der durch die EU angekündigten Deaktivierung der Ausweichklausel für 2024 tritt in der Folge auch der Österreichische Stabilitätspakt wieder in Kraft.“ Der Voranschlag für 2024 jedoch weise „ein Maastricht-Defizit von minus 69.943.800 Euro auf“. Und das „ohne Berücksichtigung der ausgegliederten Gesellschaften“. Die Ziele eines „ausgeglichenen Haushaltes im Sinne des Stabilitätspaktes werden klar verfehlt“, monieren die Controller.

„Vermögensveräußerungen“ drohen

Die Finanzabteilung stellt auch gleich die Rute ins Fenster: Der Sanktionsbeitrag bei Überschreiten der Maastricht-Kriterien betrage 15 Prozent der Überschreitungssumme. Wie viel das absolut ist, kann man noch nicht sagen. Der Gemeinderat am Dienstag könnte brisanter nicht sein. Aufgrund der brenzligen finanziellen Situation der Stadt soll er nämlich auch beschließen, dass „entsprechende Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und Sicherstellung zukünftiger Darlehenstilungen“ umgesetzt werden. In Klammern des Antrags befindet sich dann ein Wort, das noch weitreichende Folgen haben könnte: „Vermögensveräußerungen“. Mediapartizan.at hat am Textende eine Auswahl an möglichen Folgen des budgetären Missstands der Landeshauptstadt aufgelistet. Diese Abhandlung stammt von Ende November letzten Jahres, ist also erst gute zwei Monate alt.

Die gefährliche Schieflage der Stadtfinanzen ist Folge einer bis heute verschleppten Aufgaben- und Strukturreform. Liesnig erklärt auf Anfrage, dass „ein Voranschlag nur sehr bedingt mit dem Rechnungsabschluss zu vergleichen ist. Ich bin jetzt seit zwei Jahren Finanzreferent und wir haben bei den Rechnungsabschlüssen immer ausgezeichnet abgeschlossen“. Der Rechnungsabschluss 2023 werde „wahrscheinlich ähnlich gut“ wie die vorhergenden. Er sagt, „dass Reformen angegangen werden müssen. Für die Jahre bis 2028 sind 98 Millionen Euro nicht ausfinanziert“. Diese sollen „bei Projekten mitunter durch Förderungen“ hereinkommen.

„Die Stadt hat 1,5 Milliarden Euro an Vermögen. Da soll mir noch einmal jemand sagen, dass wir von einer Bank keinen Kredit bekommen. Das will ich von einem Kreditinstitut hören, nicht immer nur von unseren internen Abteilungen“. Sollte das aber der Fall sein, müssten Projekte priorisiert oder zurückgestellt werden. „Dann müssen wir uns entscheiden, was uns wichtiger ist: Eine Münzsammlung oder eine Schulsanierung.“

Insgesamt „geht es mir gehörig auf die Nerven, dass die gestalterische Arbeit für das Budget von mir kommen muss, weil es kompetente und aktive Abteilungen im Haus offenbar nicht schaffen“, spart auch Liesnig nicht mit Kritik.

„10 Mal höheres Minus als präsentiert“: ÖVP wird gegen Budget stimmen

Morgen könnte es hochspannend werden. Die Volkspartei Klagenfurt hat sich schon gegen das Budget festgelegt: „Das Minus für 2024 beträgt nicht 6,1 Millionen Euro wie behauptet, sondern
knapp 62 Millionen im allgemeinen Haushalt“, so Clubobmann Julian Geier. Weswegen die Schwarzen dagegen stimmen werden. „Es wäre verantwortungslos, der Bevölkerung ein 10 Mal höheres Minus als von Bürgermeister und Finanzreferent präsentiert zuzumuten.“ Stadtparteiobmann Markus Malle legt noch eins drauf: „Um den Haushalt auszugleichen, leiht man sich intern Geld aus. Die neu aufgenommenen inneren Darlehen aus dem Gebührenhaushalt betragen 48 Millionen Euro – da nimmt Liesnig Geld aus der linken Hosentasche und steckt es in die rechte.“

Mögliche Maßnahmen (November 2023)

3 Kommentare

  1. Darf die Mehrheit im Gemeinderat überhaupt ein Budget beschließen, wenn die Fachabteilung ausdrücklich vor einer Zahlungsunfähig warnt? Mir scheint, es sitzen nicht die hellsten Kerzen auf der Torte (Gemeinderat).. und wenn mit diesem Budgetbeschluss ausdrücklich Gefahren für die zukünftigen Geschäfte der Landeshauptstadt bestehen, wer kann da was unternehmen…? Irgendwer muss hier dringend etwas unternehmen… Wir Bürger müssen zusehen, wie die Stadtpolitik unsere schöne Stadt in Grund und Boden wirtschaftet. So schlimm war es, meiner Meinung nach, noch nie in Klagenfurt und ich bin jz doch schon einige Jährchen auf der Welt. Mir tut das für die nächsten Generationen sehr sehr leid…

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