
45 Mal kommt das Wort Klagenfurt in der 56-seitigen Diplomarbeit von Christian Josef Tomaschitz vor. Der junge Mann hat mit der bestens beurteilten Arbeit seinen Magister in Rechtswissenschaften am Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre an der Johannes Kepler Universität in Linz knapp vor sich. Des Werks Titel: “Die Notkompetenz des Bürgermeisters im Klagenfurter Stadtrecht”.
Nur bei drohendem Schaden
Die Diplomarbeit ist aktuell, stammt vom März 2025. Und Tomaschitz weist unter der Fittiche seines Universitäts-Professors Mathis Fister nach, dass die (zwei) BürgermeisterInnen der Kärntner Landeshauptstadt im Untersuchungszeitraum von 2018 bis 2024 eigenwillig, jedenfalls fragwürdig mit dem Klagenfurter Notfallparagrafen hantiert haben. In den Amtsperioden von 2015 bis 2024 regier(t)en zuerst Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ; bis 2021), ab 2021 dann Christian Scheider (LS; derzeitiger Amtsinhaber).
Beim Klagenfurter Notfallparagraf, dem § 73 im Stadtrecht, geht es um sogenannte “Dringende Verfügungen”, die der Bürgermeister bei Gefahr in Verzug alleine treffen darf. Konkret: Kann eine Entscheidung “ohne Gefahr eines Nachteiles für die Stadt” nicht mehr unter Einbindung eines Kollegialorgans wie etwa des Gemeinderates herbeigeführt werden, “so hat der Bürgermeister die notwendigen Verfügungen unter eigener Verantwortung zu treffen”, so das Stadtrecht.
Notfall bei Jost-Verlängerung als bekannte Fehlentscheidung
Die wahrscheinlich bekannteste irrige Auslegung des Notfallparagrafen ist jene Scheiders in der Causa der Dienstverlängerung des ehemaligen Magistratsdirektors Peter Jost von Ende 2022. Scheider wollte Jost um zwei Jahre über dessen Pensionsalter hinaus verlängern, scheiterte letztlich aber – mitunter weil die Kärntner Gemeindeaufsicht Scheiders Notfallentscheidung aufhob. Am Schluss zahlte der Steuerzahler Zehntausende Euro an Rechts- und Anwaltskosten für die verunglückte Dienstverlängerung.
127 Fälle untersucht
Im Zeitraum von 2018 bis 2024 sah sich Tomaschitz 127 Notfallbeschlüsse des jeweiligen Stadtoberhaupts an, bei denen der Kompetenzbereich des Gemeinderates, immerhin oberstes Gremium der Stadt, betroffen war. Dem Gemeinderat sei von der Anwendung des 73ers allerdings nur berichtet oder nachträglich dessen Genehmigung eingeholt worden. Tomaschitz erkannte mit Ausnahme eines einzigen Falles keine Notwendigkeit für die Notfallbeschlüsse: “Die Analyse einzelner Beispiele, wie die Verleihung zum Führen eines Stadtwappens, Verordnungserlassungen und Genehmigungen von über- und außerplanmäßigen Mittelverwendungen, konnte nicht ergeben, inwiefern Notfälle vom Bürgermeister abgewendet wurden”, diagnostiziert er. Die Sitzungsprotokolle der Gemeinderatssitzungen ergäben keine Gründe, “weshalb die dringenden Verfügungen des Bürgermeisters notwendig” gewesen seien.
Nur ein einziges Mal tatsächlich ein Notfall
In nur einem einzigen Fall wurde Tomaschitz tatsächlich fündig: In einer Gemeinderatssitzung vom 7. November 2023 sei es zur Entscheidung einer überplanmäßigen Mittelverwendung gekommen. Und zwar in Folge eines Hagelschadens im Klagenfurter Fußballstadion. Hier “könnte es durchaus möglich gewesen sein, dass ein Zuwarten der Schadensreparatur zu einem größeren Schaden hätte führen können und damit die Gefahr eines Nachteiles für die Stadt in Form von Mehrkosten durch die dringende Verfügung verhindert wurde”, so Tomaschitz, der ein Familienmitglied von FPÖ-Klubobmann Andreas Skorianz ist.
Mathiaschitz 55, Scheider 70 Notfallbeschlüsse
Teilt man die 73er-Entscheidungen im Untersuchungszeitraum zwischen Mathiaschitz und Scheider auf, so kommt erstere von 2018 bis Februar 2021 orientierungsweise gemäß den Tagesordnungspunkten der Gemeinderatssitzungen auf rund 55 Notfallentscheidungen, Scheider ab 2021 bis 2024 auf knapp 70. Das teilt die Stadt in einer ersten Anfragebeantwortung mit, die sich auf die offiziellen Tagesordnungen der Sitzungen bezieht. Für eine detaillierte Beantwortung wurde um mehr Zeit gebeten.
Gemeinderatssitzungen seien in der Regel mindestens eine Woche vor Sitzungsbeginn einzuberufen. In Notfällen kann der Bürgermeister eine Sitzung aber schon in 24 Stunden einberufen. Womit klar sei, dass die meisten Notfallbeschlüsse des Bürgermeisters nicht nötig seien, womit die 73er-Entscheide “in der Praxis überstrapaziert” würden.
Scheider-Schubumkehr beim Flughafen
Letzte Woche machte Scheider abermals vom Notfallparagrafen Gebrauch: 20 Prozent der städtischen Anteile am Flughafen sollten im Eilverfahren an die Kärntner Beteiligungsverwaltung (K-BV), die selbst 80 Prozent des Airports besitzt, überschrieben werden. Das wurde im Stadtsenat beschlossen. Nun vollzieht Scheider eine “Schubumkehr”: Der Beschluss werde im Sinne eines “Actus Contrarius”, also einer Rückgängigmachung der Entscheidung, aufgehoben. Der Gemeinderat soll morgen, Dienstag, darüber befinden. Es scheint als hätte Scheider gerade noch die Notbremse gezogen.
In der Privatwirtschaft würden Aufsichtsrat bzw. Eigentümer schon längst eine Kündigung aussprechen…
Was heißt Kündigung…. Entlassung und gerichtliche Schadensersatzklagen wegen Haftungsansprüchen wären die Folgen. EINE von 172 Notfallentscheidungen ist offenbar durch das Stadtrecht gedeckt. D. h. 171 Verletzungen des Stadtrechts, das muß doch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen??? Eine derartige Wiederholungshäufigkeit deutet im besten Fall auf Naivität/Unkenntnis (Unkenntnis schließe ich aus, es gibt haufenweise Juristen im Magistrat die den Hr. Bürgermeister beraten können), im schlimmsten Fall auf zumindest Billigung (wenn nicht aktiver Herbeiführung) eines Vermögensschadens für die Bürgerinnen und Bürger hin. Man muß sich bei jeder Notfallentscheidung fragen – CUI BONO??? Wem hat’s genutzt??? Ich hoffe, dass die Behörden hier ein Offizialdelikt erkennen und zu ermitteln beginnen, gegen Scheider und Matthiaschitz!!