„… schaffen wir den Turnaround gar nicht mehr“.

Vertrauliches Papier deckt auf: Stadtwerke Klagenfurt können neues Hallenbad nicht aus eigener Kraft stemmen. Finanzierung nur zum Teil gegeben. Personalabbau von bis zu 60 Personen im Raum. Ein Blick ins Innerste des Energieversorgers.

Etlichen Mandataren steht der Sauerstoffmangel ins Gesicht geschrieben. Seit Stunden sitzen sie im Plenarsaal des Klagenfurter Gemeinderats. Draußen ist es dunkel geworden. Einige können das Gähnen nicht unterdrücken. Es ist der 4. Februar 2020. Die bislang letzte Versammlung des Gemeinderats. Man sitzt noch eng. Corona kommt erst.

Dann kommt plötzlich Laune in den Saal. Der hitzigste Punkt der Tagesordnung steht an: Der Bericht des Rechnungshofs (RH) über die Stadtwerke Klagenfurt (STW). Das Papier hat Zunder. Ein Mandatar vergleicht es mit einer „Anklageschrift der Staatsanwaltschaft“.

Im Bericht wird die Finanzplanung der STW seziert. Der Schuldenstand des Unternehmens werde von 2017 bis 2021 „um knapp 37 Mio. EUR auf 62,20 Mio. EUR“ klettern, kritisiert der RH. Delikat: „Noch nicht berücksichtigt waren in der mittelfristigen Finanzplanung die Kosten von bis zu 44 Mio. EUR für den geplanten Neubau des Hallenbads.“

Rede und Antwort

Knapp zwei Drittel des RH-Prüfzeitraums (2014 bis 2017) fallen in die politische Verantwortung von Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ). Rede und Antwort zum nüchternen Ergebnis des Berichts stehen den Mandataren aber die in den Plenarsaal zitierten STW-Vorstände Erwin Smole und Harald Tschurnig. Kurios: Deren Arbeitsbeginn war erst der 8. April 2019.

In ihren Schlussworten lässt es sich Mathiaschitz dann aber nicht nehmen, eine Bresche für das – wie sich gleich zeigen wird – strapazierte Unternehmen zu schlagen: Aufgrund des gestarteten Reformprozesses in den STW, versichert Mathiaschitz, sei die Aussage, „dass eine Finanzierung des Hallenbads nicht gegeben ist“ auf die Jahre bis 2017 bezogen. Also bloß auf den Prüfzeitraum des RH.

Nun: Mitnichten. Wie hochbrisante Dokumente nun offenlegen, können die STW das neue Hallenbad keinesfalls vollständig finanzieren. Das Unternehmen schafft es laut Papier nicht einmal, die Hälfte der vom RH erwähnten 44 Millionen Euro aufzubringen. Die Rede ist von maximal 16 Millionen Euro.

Wenn der Kreditgott mitspielt

Aber selbst diese 16 Millionen kann das Unternehmen den Unterlagen zufolge nur dann aufbringen, wenn der Kreditgott mitspielt. Der kaufmännische Vorstand Tschurnig wird in dem Papier folgend zitiert: „Wenn die Finanzierung für das UW Nord wie bereits dargelegt, gelingt, kann die Eigenkapitalquote um 4-5 % erhöht werden, dadurch steigt auch wieder die Kreditwürdigkeit.“

Bei besagter Finanzierung für das Umspannwerk Nord dürfte es sich um ein, wie Smole am 4. Februar im Gemeinderat erwähnte, Genussscheinmodell handeln. Falls diese Finanzierungsvariante für das „UW Nord“ also gelänge, fährt Tschurnig fort, „könnten die STW ca 16 Mio an zusätzlichen Krediten aufnehmen, das wäre der maximale Beitrag der STW“.

Kündigungen“

Zeitlich ist das Papier etwa zwei Monate vor besagter Gemeinderatssitzung angesiedelt. In den nächsten Absätzen werden Personalagenden besprochen. So führt Tschurnig aus, dass Kosteneinsparungen auf die STW zukämen. Diese sollen „zum Teil durch Kündigungen, aber auch zum Teil durch Nichtnachbesetzungen“ realisiert werden. „Ziel ist es“, so Tschurnig, „jedes Jahr Personalkosten einzusparen, um die Indexerhöhungen im Personalbereich abzufedern.“

50 – 60 Personen“

Laut Tschurnig „sollen die Personalkosten langfristig eingefroren werden“. Betriebsrätin Dagmar Onitsch ergänzt Tschurnigs Ausführungen derart, „dass im Vorfeld über einen Personalabbau von 50 – 60 Personen über die nächsten Jahre gesprochen wurde“. Auch sie geht auf Finanzielles ein und „gibt zu bedenken, dass der STW 7,3 Mio an Abgängen fehlen, die die Stadt Klagenfurt in der Vergangenheit geleistet hat.“ Onitsch spielt damit wohl auf das momentane Hallenbad an, das deutliche Verluste produziert.

Abstimmung

Dann kommt es zur Abstimmung über die präsentierten Pläne, der Tagesordnungspunkt nennt sich „Mittelfristplanung 2021 – 2023“: Mathiaschitz erklärt den Punkt für „genehmigt“ – bei allerdings zwei Gegenstimmen: Wolfgang Germ und Christian Scheider. Die beiden FPÖ-Aufsichtsräte tragen das Programm nicht mit. Frank Frey, Grünen-Aufsichtsrat, will daraufhin wissen, warum nicht? Germ kontert, dass seiner Meinung nach „in der Vergangenheit zu viele Kredite aufgenommen wurden“. Und legt noch eins drauf: „Obwohl die Tariferhöhungen ins Budget eingeflossen sind, ist das Unternehmen nicht in der Lage alle Investitionen aus der Innenfinanzierung zu tätigen.“ Offenbar ein Seitenhieb auf die mangelnde Finanzierungsfähigkeit beim Hallenbad.

Damit aber noch nicht genug: Das grün-blaue Geplänkel greift auf Onitsch über. Die als eingeschworene „Stadtwerklerin“ geltende Betriebsrätin gerät ob der Ablehnung der Pläne durch Scheider und Germ offenbar in Emotion. Und artikuliert in drastischer Weise: „Wenn das Unternehmen die notwendigen Investitionen jetzt nicht tätigt, schaffen wir den Turnaround gar nicht mehr“. Scheinbar sind die STW durch fehlende Erneuerungen in den letzten Jahren in Mitleidenschaft gezogen.

Dabei ist es gerade einmal fünf Jahre her, dass dem Betrieb von prominenter Stelle zu seiner Klasse gratuliert wurde. Am 26. Feber 2015, einem Donnerstag, flattert ein E-Mail in den Posteingang aller STW-Mitarbeiter. Darin ein handunterschriebener Brief: „Dank Ihrer kompetenten und engagierten Arbeit hat sich die Stadtwerke Klagenfurt AG zu einem Paradeunternehmen entwickelt“, wird die Belegschaft gelobt. Es ist 14:04 Uhr. Die Lobspenderin: Maria-Luise Mathiaschitz.

Fünf Jahre später erwähnt der Rechnungshof in seinem Bericht ein Wort explizit nicht: „Paradeunternehmen“.

Eine schriftliche Anfrage bei STW-Vorstand Erwin Smole um eine Stellungnahme blieb unbeantwortet.

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Foto(s): Eigene

3 Kommentare

  1. Kein Wunder! Wenn man nach einer erfolgreichen Sanierung einen Turnaround macht, führt das ja wohl wieder in die Pleite, oder?
    Wenn man aus Kostengründen Flugbegleiter statt Piloten in ein Flugzeug-Cockpit setzt und die Passagiere merken das, fühlen sie sich trotz Autopilot beim Fliegen etwas unwohl. So geht es wohl dem Betriebsrat im Moment

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