Magistratsdirektor mit Dauerabo: Bürgermeister verlängert Jost via Notfallparagraf über die Pension hinaus

Magistratsdirektor Peter Jost (c) Eggenberger

Bürgermeister Christian Scheider und Magistratsdirektor Peter Jost wollen offenbar noch länger zusammenarbeiten. Recherchen von Mediapartizan.at ergaben, dass der 64-jährige Jost über sein Pensionsalter hinaus Magistratsdirektor in der Landeshauptstadt bleiben will. Und wird.

Verlängerung per Paragraf 73

Jost ist im Oktober 1958 geboren, hätte also im Herbst nächsten Jahres sein gesetzliches Pensionsantrittsalter erreicht. Jedoch wird im Klagenfurter Rathaus seit mindestens einem Jahr gemutmaßt, dass Jost nicht gehen will und es vorziehe, im Machtzentrum des Magistrats an der Seite Scheiders zu bleiben. Das scheint nun amtlich zu sein. Scheider soll Jost per Notfallparagraf bis mindestens 2025 verlängert haben.

Erboster Jost kündigte letzten Arbeitstag an

Die Genese der Notfallverlängerung sieht so aus: Nach der Berichterstattung über drei Stadtmitarbeiter, die ebenso über die Pension hinaus verlängert werden wollten, platzte Jost angeblich der Kragen. Scheider, auf dessen Vorschlag die drei Angestellten länger hätten bleiben sollen, musste diesen Punkt nämlich von der Stadtsenats-Tagesordnung nehmen. Grund: Er hätte keine Mehrheit dafür bekommen, da SPÖ und FPÖ dagegen gestimmt hätten. Das war am 19. Dezember, also vor drei Tagen. Daraufhin hat Jost angeblich einen ungewöhnlich emotionalen Brief an Scheider gerichtet, in dem er Scheider sein sofortiges Ausscheiden aus dem aktiven Dienst angekündigt haben soll. Offenbar schon mit dem nächsten Tag.

Emotionaler Brief an Scheider

In diesem „gefühligen“ Brief erklärt Jost seinen letzten Arbeitstag, da er es als unerträglich empfinde, wenn die Bereitschaft von Mitarbeitern (gemeint sind die drei oben genannten) zu ihrer Dienstverlängerung über das Pensionsalter hinaus politisch mißbraucht werde. Die Stadt solle sich eher glücklich schätzen, wenn erfahrene Mitarbeiter länger arbeiten wollten.

Das könnte auch als Empfehlung in eigener Sache angesehen werden. Denn Scheider verlängerte Jost daraufhin umgehend. Die drei von der Tagesordnung genommenen Verlängerungen waren von Beobachtern als Schaffung von Präzedenzfällen interpretiert worden, die Josts Verlängerung hätten rechtfertigen sollen. Den nunmehrigen Brief des Magistratsdirektors könnte man einerseits als ehrliche Enttäuschung, andererseits aber genauso als Versuch Josts und Scheiders einordnen, den 64-jährigen Magistratsdirektor vorzeitig und mit dem Kunstgriff des Notfallparagrafen für weitere zwei Jahre im Rathaus zu installieren.

Mögliche Fürstengage?

Fragt man Kritiker und Proponenten Josts, erhält man ein ambivalentes Bild. Seine Befürworter bescheinigen ihm große fachliche Kompetenz und trotz seines nicht immer ganz nachvollziehbaren Führungsstils die Fähigkeit, den inneren Dienst im Magistrat zusammenzuhalten. Weiters wird sein verhältnismäßig großer Einsatz für die und seine Identifikation mit der Stadt gelobt. Und niemand redet in tatsächlich herabwürdigender Weise von ihm. Skeptiker hingegen werfen ihm machiavellistische Züge („Der Zweck heiligt die Mittel.“) vor und bloß der Magistratsdirektor der Bürgermeisterpartei zu sein, der Oppositionsparteien die Arbeit schwer mache. So sehr Jost durch sein machtbewusstes Auftreten den inneren Dienst auch zusammen halte, wird kritisiert, so sehr bröckle dieser Kitt seit Jahren. Im Rathaus stünden Intrigen und Fallenstellen auf der Tagesordnung.

„Juristisch steht der Kunstgriff des Bürgermeisters auf sicheren Beinen“, hört man aus dem Rathaus. Jost stehe damit ab seinem Pensionsantritt eine mögliche Doppelgage ins Haus, monieren die Gegner der Verlängerung: Einerseits der Pensionsbezug, andererseits das Aktivgehalt als Magistratsdirektor, wird gemutmaßt. Doch das stellt der mit der Causa vertraute Rechtsanwalt Christian Puswald in Abrede. Jost habe mit Scheider die Vereinbarung getroffen, während der Verlängerung nicht in Pension zu gehen, womit auch kein Pensionsbezug anfalle; Update von 18:28 Uhr. Jost hat neben seinem Rathausjob noch fünf weitere „Ämter“ in Stadtbeteiligungen inne. Bei diesen handelt es sich um Eigentümervertreter-, Management- und Kontrollfunktionen bei den Stadtwerken, der städtischen Immobilienorganisation, der Vitalbadgesellschaft, dem Ordnungsamt und der Pflege GmbH. Ob er für diese Bezüge bekommt, ist nicht bekannt. Bei den Stadtwerken lehnte Jost einen Bezug von sich aus ab.

Josts Führungsstil ein Auslaufmodell?

Egal ob der Brief Josts an Scheider, der wohl den Eindruck erwecken soll, der Bürgermeister habe eine schnelle Entscheidung treffen müssen, um Schaden von der Stadt abzuwenden, ein ehrlicher Antritt oder eben ein konzertiertes Manöver Josts und Scheiders ist – eines steht fest: Weder unter Scheider I, noch unter Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ), und auch nicht in der jetzigen Amtsperiode Scheiders wurde ein Nachfolger Josts aufgebaut, um die Abhängigkeit vom alternden Magistratsdirektor, dessen Führungsstil von Kritikern als Auslaufmodell gesehen wird, zu reduzieren. Josts breite Machtbasis im Haus scheint auch mit seiner triumphalen Rückkehr ins Amt des „Magi“ zu tun zu haben. Unter Scheider I (2009 – 2015) wurde Jost wegen eines vermeintlichen Zulagen-Skandals suspendiert. Doch ein jahrelanger und teurer Arbeitsgerichtsprozess Josts gegen die Stadt mit Scheider als Bürgermeister endete zugunsten Josts: In einem Vergleich und unter großem medialen Getöse nahm Jost 2013 wieder auf dem Chefsessel des „Magi“ Platz. Auf dem er bis heute sitzt. Offenbar mit einem bis 2025 andauernden Abo.

Reaktionen: „Scheider offensichtlich nicht mehr zurechnungsfähig“ und „Bankrotterklärung“

Andere Parteien schäumen: In einer ersten Reaktion spricht FPÖ-Klubobmann Andreas Skorianz davon, dass die „rechtliche Zulässigkeit zu prüfen ist. Es besteht überhaupt keine Notwendigkeit, den Magistratsdirektor zu verlängern“. Skorianz will frischen Wind für das Rathaus. Und weiter: Das Rathaus befinde sich offensichtlich in der Abhängigkeit eines einzigen Mannes. Dies sei aber nicht der gewählte Bürgermeister, „sondern der amtierende Magistratsdirektor“. Eine Verlängerung über das Pensionsalter hinaus sei eine Bankrotterklärung der Personalpolitik im Rathaus. Personalreferent ist Scheider.

Auch Neos-Chef Janos Juvan formuliert scharf: „Ich bin fassungslos. Es ist ja nicht das erste Mal, das Bürgermeister Scheider geltendes Recht missachtet. Schon in der Vergangenheit waren antidemokratische Züge erkennbar. Spätestens jetzt steht fest: Scheider hält sich für einen Autokraten.“ Und überdies: „Wenn stimmt, was berichtet wird, muss man ganz klar sagen, dass Scheider offensichtlich nicht mehr zurechnungsfähig ist. Der Gemeinderat ist gefordert, weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden und muss schnellstmöglich zusammentreten und Möglichkeiten finden, die Stadt vor diesem wild gewordenen Bürgermeister zu schützen.“

„Schockierend und eine Frechheit“

Der Grüne Klubobmann Philipp Smole betrachtet die Nachricht von Josts Verlängerung als „schockierend und eine Frechheit“. Es „ist ein Armutszeugnis und fahrlässig, dass man sich von einer Person so abhängig gemacht hat. Ein Generationswechsel ist längst überfällig“.

ÖVP: „Jahrzehntelang gute Arbeit“

Die ÖVP gibt es milder: „Herr Jost hat jahrzehntelang gute Arbeit geleistet. Wir brauchen einen geregelten Übergang und eine Stellenausschreibung“, sagt Clubobfrau Julia Löschnig. Zur erheblichen Mehrbelastung des Stadtbudgets, diese könnte in die Hunderttausende gehen, sagt Löschnig, „dass die Aktion tatsächlich keine gute Optik abgibt, uns eine gute Übergabe das aber wert sein sollte“. Auf die Frage, ob die Einarbeitung eines Nachfolgers nicht schon viel früher hätte geschehen müssen, sagt Löschnig, dass sie erst seit zwei Jahren für die Stadt tätig sei.

Notfallparagraf: Anwendbarkeit wird angezweifelt

Ob der Notfall-Paragraf wirklich ausreicht, Josts Dienstzeit zu verlängern, werden wohl die nächsten Tage zeigen. Ratshaus-Insider zweifeln dies an, da Scheider für die Verlängerung mit ziemlicher Sicherheit keine Mehrheit bekommen hätte. Nur die ÖVP wäre dafür gewesen. Damit wären maximal 18 von 45 Stimmen zustande gekommen. Dies sei Scheider im Vorfeld signalisiert worden. „Ich kann doch nicht für alles, für das ich keine Mehrheit bekomme, den Notfallparagrafen anwenden“, sagt Skorianz, der selbst Jurist ist. „Sonst sind wir in Russland.“

Scheider: „Musste entscheiden, um Stabilität sicherzustellen“

Scheider reagierte mit einer städtischen Presseaussendung: „Als Bürgermeister trage ich die Letztverantwortung für den Magistratsbetrieb. Ich habe daher eine schnelle Entscheidung treffen müssen, um die Stabilität des Hauses sicherzustellen. Ich stehe in der Verantwortung und habe diese
wahrgenommen. Magistratsdirektor Jost bleibt weiterhin an Bord und das bis mindestens Ende 2025“, so Scheider.

Mögliche Doppelbezüge? „Wie Jost damit umgeht, ist seine Sache“

Angesprochen auf mögliche Doppelbezüge Josts, sagt Patrick Jonke, Büroleiter von Bürgermeister Scheider: „Rechtlich dürfte Jost beides beziehen. Wie er aber damit umgeht, ist seine Sache.“ Damit konfrontiert, was der Rechtsanwalt zum Thema Doppelbezüge sagte, erklärte auch Jonke am Abend dann, dass Doppelbezüge nicht möglich seien, „da Jost nicht in Pension gehen darf, wenn er Aktivgehalt bezieht“. Das sei mit Scheider so vereinbart worden.

Update 23. Dezember, 8.30 Uhr: „Nacht- und Nebelaktion“ und „Theater“

Heute um 8.30 Uhr hat Bürgermeister Scheider nach seiner Entscheidung zur Verlängerung Josts einen Sonderstadtsenat einberufen. Die drei SPÖ-Senatsmitglieder Philipp Liesnig, Corinna Smrecnik, Franz Petritz und das FPÖ-Senatsmitglied Sandra Wassermann werden der Sitzung aber aus Protest fern bleiben. Damit möchte man offenbar einen Zustand „schwebender Unwirksamkeit“ erreichen, da Scheider keine Mehrheit im Senat bekommt. Liesnig verurteilt Scheiders Entscheidung zur Verlängerung Josts als „Nacht- und Nebelaktion“. Rot und Blau beharren darauf, dass die Causa in den Gemeinderat kommt. „Für so ein Theater stehe ich nicht zur Verfügung. Der Bürgermeister hätte vor seiner eigenmächtigen Entscheidung den Punkt behandeln und ordentlich zur Abstimmung bringen sollen. Nunmehr hat er sich nächsten Mittwoch im Gemeinderat für sein eigenmächtiges Handeln zu verantworten“, sagt Wassermann.

Update 23. Dezember, 10.36 Uhr: Kein Doppelbezug für Jost

In der heutigen Stadtsenatssitzung, in der auch Anwalt Christian Puswald anwesend war, erklärte Jost auf Nachfrage von Vizebürgermeister Alois Dolinar, „dass er aufgrund der Vertragsverlängerung
keine Pension und somit kein derartiges Doppeleinkommen erhält“.

5 Kommentare

  1. Der „Notfallparagraph“ 73 im Klagenfurter Stadtrecht lautet folgendermassen:
    „§ 73 Dringende Verfügungen
    (1) Sind Verfügungen, die der Beschlußfassung des Stadtsenates oder des Gemeinderates bedürfen, dringend notwendig und kann ein Beschluß des zuständigen Kollegialorganes ohne Gefahr eines Nachteiles für die Stadt nicht mehr herbeigeführt werden, so hat der Bürgermeister die notwendigen Verfügungen unter eigener Verantwortung zu treffen. Der Bürgermeister hat dem zuständigen Kollegialorgan ohne Verzug zu berichten.
    (2) Dringende Verfügungen dürfen hinsichtlich des Stellenplanes und des Flächenwidmungsplanes nicht erlassen werden.
    (3) Als dringende Verfügungen erlassene Verordnungen (§§ 13 und 15 Abs 1) treten außer Kraft, wenn sie der Gemeinderat in der ihrer Erlassung folgenden Sitzung nicht genehmigt.“

    Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein emotionaler Brief eines alternden Stadtbeamten die Anwendung dieses Paragraphen rechtlich rechtfertigt: Es ist Zeit geug, ein ordentliches Ausschreibungsverfahren für eine qualifizierte Nachbesetzung durchzuführen.

    Wenn der Gemeinderat dies nachträglich genehmigt, begibt er sich in die Geiselhaft eines Pensionisten.

  2. Was wurde eigentlich aus der Kurzzeit-Magistratsdirektorin, die Jost damals ablöste und dann wieder gehen musste? Stimmt es, dass diese anschließend weiterhin Anrecht auf das Magistratsdirektor:innen-Gehalt hatte?

  3. Ist das kein Amtsmissbrauch, wenn ein MAD keinen Nachfolger aufbaut und dann mit einer Rücktrittsdrohung den Bürgermeister erpresst?
    Übrigens, damals, als Frau Koroschetz die Stelle übernommen hat merkte man keine Einschränkung im inneren Dienst. Ganz im Gegenteil.
    Die Parallele zu Putin ist für mich beängstigend

  4. Aus dem Bundes-Rechnungshofbericht Kärnten 2018/3:

    „Der RH kritisierte die großzügige Bezugsgewährung für den Höchstverdienenden, der um rd. 61 % mehr verdiente als der höchstbezahlte Abteilungsleiter. Der RH kritisierte, dass mit dem Bezug nicht sämtliche Mehrleistungen abgegolten waren und er zusätzlich Überstunden abgegolten erhielt.“

    Das waren damals 2015 laut Rechnungshof schon 210.000.- Euro Jahresgage. Da würde so Mancher gerne noch 3 anhängen …

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*