Auswahl des STW-Wirtschaftsprüfers: Gab es Maulwurf im Klagenfurter Stadtsenat?

Fotomontage/(c) Stadt Klagenfurt

Es ist der 24. November 2021. Fünf Minuten nach 9 Uhr. Eine unter flirrender Nervosität stehende Stadtsenatssitzung der Klagenfurter Politriege ist im Gang. Es gibt mehrere Tagesordnungspunkte, durch die Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten) das Kollegium führt. Letztlich wird nur ein einziger manifest in Erinnerung bleiben: Der Kampf um den Abschlussprüfer-Auftrag bei den Stadtwerken (STW) Klagenfurt. Knapp 100.000 Euro ist er schwer und laut Prüfungsausschuss der STW bereits von einem Anbieter gewonnen: Der Price Waterhouse Coopers (PWC), genauer von ihrer Klagenfurter Gesellschaft. Sie darf sich im Stadtsenat präsentieren. Doch nach ihr kommt kurioserweise noch der Zweitgereihte dran: Die Alpe Adria Steuerberatung. Beides renommierte Kanzleien.

Knappes Rennen zwischen Erst- und Zweitgereihtem

Scheider braucht einen Stadtsenatsbeschluss, um den neuen Wirtschaftsprüfer in die Hauptversammlung der Stadtwerke einzubringen. Die übliche Vorgangsweise ist sonst recht einfach: Dem Vorschlag des STW-Prüfungsausschusses wird vom Stadtsenat Folge geleistet. Demnach hätte die PWC den Auftrag so gut wie in der Tasche. Doch Scheider folgt hier einer guten Tradition: Schon seine Vorgängerin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) hatte sich über solche Vorschläge hinweggesetzt und unverhohlen den von ihr gewünschten Prüfer mit dem Auftrag bestückt. Und genau darum geht es hier. In dieser Stadtsenatssitzung könnte der Zweite den Ersten noch überholen.

Scheider schmeckt Ergebnis nicht

Die Vorgeschichte: Bei den STW steht die Jahresabschlussprüfung 2021 an. Mehrere Steuerberatungs-Unternehmen haben sich um den begehrten Auftrag angestellt. Der STW-Prüfungsausschuss unter Vorsitz des bekannten Wirtschaftsprüfers und STW-Aufsichtsrates Johann Neuner reiht die PWC ganz vorn, gefolgt von der Alpe Adria, nur zwei Punkte dahinter. Scheider hat aber offenbar keine rechte Freude mit dieser Reihung und spielt den Ball zurück an den Prüfungsausschuss. Mit Neuner in diesem Ausschuss sitzen Steuerexperte Wilfried Haselmayer und STW-Betriebsrätin Dagmar Onitsch. Haselmayer sagte im Oktober des Vorjahres zur Online-Plattform „5 Minuten“, es sei ein knappes Rennen zwischen den beiden Unternehmen gewesen, „aber es ist dennoch ein klares Ergebnis“. Nichtsdestotrotz: Scheider schmeckt das Ergebnis nicht, die Stadt lässt einen eingeschalteten Notar Fragen formulieren, die Scheider am 29. Oktober des Vorjahres an Neuner schickt und beantwortet wissen will. Der vermeintlich fixe Auftrag an die PWC ist damit wieder in Schwebe.

„So als würde man Mercedes sagen, wie man Autos baut“

Um 9:13 Uhr betritt der PWC-Vertreter den Stadtsenats-Sitzungssaal. Ein langjährig erfahrener Steuerexperte mit dem weltweiten Netzwerk der PWC im Hintergrund. Er stellt sein Unternehmen kurz vor, geht in seiner Präsentation aber gleich auf einen ganz offensichtlich nach wie vor schwelenden Kampf um den STW-Auftrag ein: „Uns (der PWC; Anm.) da die Kompetenz streitig zu machen, ist für mich so, als würde man Mercedes plötzlich sagen, wie man Autos baut“, macht er keinen Hehl aus seiner Verwunderung, dass er sich trotz seiner Erstreihung noch mit der Alpe Adria um den Auftrag clinchen muss.

„Nicht ein Privatkrieg zwischen mir und dem Kollegen“

Für die STW sei viel wichtiger, sagt der PWC-Chef, wohin die strategische Reise des Unternehmens gehe, und „nicht ein Privatkrieg zwischen mir und dem Kollegen“. Nach abgeschlossener Präsentation verlässt er den Saal. Dann, um 9.35 Uhr, Auftritt des Chefs der Alpe Adria Steuerberatung. Auch er ein ausgewiesener Steuerfachmann. Sein Unternehmen, das ebenso seit vielen Jahren am Standort Klagenfurt besteht, genießt einen guten Ruf. Vorweg: Er wird für gehöriges Aufsehen und eine hohe Dosis Nervosität sorgen.

„Mit Aufsichtsrat telefoniert“

Denn der Alpe-Adria-Chef verfügt über Informationen, die er nach Ansicht einiger Stadtsenatsmitglieder gar nicht haben dürfte. Wie aus Unterlagen hervorgeht, die Mediapartizan zugespielt wurden, ist er in Kenntnis des Preises, zu dem die PWC angeboten haben soll. Diesen Preis habe ihm ein „Aufsichtsrat, mit dem ich telefoniert habe bzw. [eine] Aufsichtsrätin“ der STW, verraten. Dann weiß er auch noch, was Prüfungsausschuss-Vorsitzender Neuner auf Scheiders Fragen geantwortet hat. Bei diesen Fragen war es um eine Gegenüberstellung der PWC mit der Alpe Adria Steuerberatung gegangen. Und zwar in Sachen Mitarbeiteranzahl, Expertise am Energiesektor, Wertschöpfung vor Ort, Publikationsanzahl der Geschäftsführer, Vortragstätigkeiten an einer Universität und schließlich Preis. Letzterer wird in dem Mediapartizan vorliegenden Dokument bei der PWC mit 90.000, bei der Alpe Adria mit 85.000 Euro angegeben. Für diese Summe hätte die PWC 994 Arbeitsstunden (Stundenhonorar 90,55 Euro) und die Alpe Adria 801 Stunden (106,12 Euro) angeboten. Der Prüfungsausschuss kommt im Antwortschreiben an Scheider zum Resümee, bei der PWC als Erstgereihtem zu bleiben.

Irreführend“

Die Vermutung, dass der Alpe-Adria-Chef weiß, was in internen Schreiben der Stadt steht, lässt auch die folgende Textpassage zu. In dieser erklärt er, dass sein Unternehmen „nicht um 85.000,– Euro angeboten“ habe, wie es Neuner an Scheider geschrieben hatte, „sondern wir haben angeboten um 83.500,– glaube ich“. Auch die Frage nach der Anzahl der Mitarbeiter korrigiert der Alpe-Adria-Steuerberatungs-Chef: Neuner hatte diese für die Alpe Adria mit der Zahl neun angegeben. Es seien jedoch 40 Mitarbeiter erklärt der Alpe-Adria-Chef, nicht neun. Der Fachmann bezeichnet das Antwortschreiben Neuners an Scheider am Schluss seiner Ausführungen als „irreführend“. Die Ausschreibung selbst kritisiert er als mangelhaft. Er habe um die 50 Bestätigungsvermerke im Energiebereich zu verzeichnen, die Klagenfurter PWC käme da nicht mit (die jedoch im weltweiten Netzwerk über etliche solcher Prüfungen, auch großer Energiekonzerne, verfügt). Auch bei der Vortragstätigkeit liege er vor dem PWC-Kollegen, der wiederum in seiner Präsentation gesagt hatte, es ginge nicht „um die Mitwirkung in Kammerfunktionen. Das bringt die Stadtwerke nicht weiter“. Auch den von ihm behaupteten nachverhandelten Preis bei der PWC kritisiert er scharf.

„Muss es der Dr. Jost gewesen sein“

Dann unterbricht Scheider den Geschäftsführer, „damit beide [Firmen] gleich lang“ Zeit zur Verfügung hatten. In der Folge steigt Vizebürgermeister Philipp Liesnig (SPÖ) in die Diskussion ein und will wissen, woher der Alpe-Adria-Geschäftsführer die stadtinternen Informationen genau habe. Liesnig und der Geschäftsführer hatten im Vorfeld schon ein Treffen, bei dem der Geschäftsführer ihm, Liesnig, gesagt habe, besagte Informationen „aus unserem Kreis“ erhalten zu haben. Liesnig meint damit ganz offensichtlich den Kreis des Stadtsenats. Dann kombiniert der SPÖ-Vize diese Auskunft mit der in der Sitzung gefallenen Aussage des Geschäftsführers, er habe die Informationen vom Aufsichtsrat: „Dann muss es der Dr. Jost gewesen sein“, kombiniert Liesnig. Weil Peter Jost als Magistratsdirektor sowohl bei Stadtsenatssitzungen dabei ist als auch im Aufsichtsrat der STW sitzt.

„Es war jemand von euch“

Offenbar ändert der Geschäftsführer dann seine Meinung, denn auf die Frage von Liesnig sagt der Steuerexperte, „es war jemand von euch“. Zwischen ihm und Liesnig, sie duzen einander, entspinnt sich eine Diskussion: „War es ein Stadtsenatsmitglied oder einer aus dem Haus oder war es jemand aus dem Aufsichtsrat?“, fragt Liesnig. Der Geschäftsführer antwortet, er sei „berufsrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet“. Dennoch fragt Liesnig abermals: „Nimmst du das dann zurück, dass das ein Aufsichtsrat war?“ Antwort: „Ich habe nie gesagt, das war ein Aufsichtsrat.“ Liesnig: „Doch gerade früher hast du gesagt, du hast alle Unterlagen aus dem Aufsichtsrat (der STW; Anm.) kriegt.“ (sic!). „Nein, einer von euch habe ich gesagt“, bleibt der Geschäftsführer vage. Wen genau der Geschäftsführer mit „euch“ meint, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Im Saal befanden sich zu dieser Zeit: Stadtoberhaupt Scheider, seine Vize Liesnig und Alois Dolinar, die Stadträte Franz Petritz, Sandra Wassermann (via Skype), Max Habenicht und Corinna Smrecnik. Außerdem Jost, Valentin Unterkircher von der Stadtpresse und Scheider-Büroleiter Patrick Jonke. Als Zuseher noch Neos-Chef Janos Juvan, der jedoch nicht in Frage kommen dürfte, da er vermutlich nicht über die brisanten Dokumente verfügte.

„Dann sind wir da in der Korruption“

Bei der vagen Auskunft des Geschäftsführers bleibt es dann. Um 9.48 Uhr verlässt er den Sitzungssaal. Zurück bleiben einigermaßen vedutzte Stadtsenatsgesichter. Liesnig etwa „stößt extrem sauer auf, dass diese internen Schreiben, von wem auch immer, weitergespielt wurden“. Aus seiner Sicht sei zu prüfen, ob das zivilrechtlich, verwaltungsstrafrechtlich oder strafrechtlich relevant ist“. Er spielt damit auf eine Verletzung des Amtsgeheimnisses an. Aber nicht nur. Er sagt auch, wenn das alles stimme, was der Alpe-Adria-Chef gesagt habe, „dann sind wir in der Korruption“. Habenicht (ÖVP) fühlt sich in einer „Bredouille“, in die „uns der Aufsichtsrat da gebracht hat. Es wird gesagt, so jetzt Stadtsenat entscheidets. Ich muss sagen, das ist sehr kritisch“. FPÖ-Stadträtin Wassermann ist „überrascht, wo interne Papiere hinlangen“. Sie will sich überhaupt der Stimme enthalten, so heiß ist die Sache. Doch gegessen wird sie schlussendlich nicht in dieser Temperatur. Jost, auf den sich der Stadtsenat rechtlich verlässt, rät in der Folge, dem Vorschlag des Prüfungsausschusses zu folgen. Was letztlich auch geschah. Scheider änderte die Reihenfolge nicht. Die PWC fuhr den Auftrag ein.

Laut Jost sei das Verfahren keine Ausschreibung oder Vergabe gewesen, sondern lediglich die Einholung von Angeboten. Haselmayer hatte dieser übrigens – obschon Mitglied des Prüfungsausschusses – einwandfreie Noten erteilt. Bleibt abzuwarten, ob es auch bei der nächsten Auswahl des STW-Abschlussprüfers ein mögliches Erdtierchen gibt. Die ist nämlich schon im Gange.

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