„Ende mit Schrecken“: Bei Vitalbad-Aus geht es um Hunderttausende Euro, ein entschärftes Kontrollamt und ein 25.000-Euro-Email

Rohrergründe: Hier sollte das "Sport- und Vitalbad" entstehen

„Ich bin mit keinem Projekt verheiratet“, sagte Christian Scheider am 9. November 2021 zur Online-Plattform 5Minuten.at. Der Klagenfurter Bürgermeister (Team Kärnten) signalisierte mit diesem Satz, einen gleich großen Abstand zu jedem der beiden damals miteinander konkurrierenden Hallenbad-Varianten zu haben. Bei diesen ging es einerseits um das „Sport- und Vitalbad“ auf den sogenannten Rohrergründen vis-á-vis dem Minimundus. Und andererseits um das „Karawankenbad“ am Klagenfurter Südring (dem späteren Gewinner). Die Stadt Klagenfurt befand sich im Herbst 2021 in einem Auswahlprozess zwischen diesen beiden Bädern. Das alte Bad in der Gasometergasse konnte aus Sicherheitsgründen nicht mehr aufsperren. Weshalb ein Ersatz her musste – und das rasch.

E-Mail aufgetaucht

Wie nun aber eine über mehrere Monate durchgeführte Recherche von Mediapartizan.at zeigt, war Scheiders politische Strategie der Distanzwahrung zu beiden Projekten zwar glänzend gewählt, da er – egal welches Projekt unterliegen würde – nicht als Verlierer dastehen konnte. Die Realität jedoch sah nicht ganz so aus, wie Scheider sie damals beschrieb. Der Stadtchef dürfte nämlich durchaus Sympathien für das „Sport- und Vitalbad“ gehabt haben, wie ein E-Mail vermuten lässt. Dieses wurde am selben Tag verschickt, an dem Scheider die Äquidistanz zu beiden Projekten öffentlich kund tat: Dem 9. November 2021. Absender: Scheiders Büro. Empfänger: Die sogenannten Innovationspartner. Bei diesen handelte es sich um den Bauriesen Porr und das in Klagenfurt residierende Bau- und Immobilienunternehmen Kollitsch. Mit der Porr war mit Gemeinderatsbeschluss vom 29. Oktober 2020 ein Vertrag über 42 Millionen Euro für den Bau des „Sport- und Vitalbades“ abgeschlossen worden (nach Baupreisindex 2015). Nach Scheiders Wahl zum Bürgermeister zog auch die Firma Kollitsch in den Kreis der Innovationspartner ein.

750.000 Euro waren quasi als Abstandshonorar für Porr und Kollitsch geplant, falls diese die Leistungen aus Phase 1 erbringen. Die Innovationspartner präsentierten im Oktober 2021 die innovative Idee eines Velodroms. Allein: Es blieb bei der Idee.

Schriftstück wird zum Bumerang

Im E-Mail aus Scheiders Büro werden die Bauunternehmen aufgefordert, ein modulares Konzept zum „Sport- und Vitalbad“ vorzulegen. Und das Bürgermeisterbüro drückt darin aufs Gas: Das Konzept solle schnell vorgelegt werden. Hintergrund dafür dürfte mitunter ein politisches Wettrennen mit dem roten Vizebürgermeister Philipp Liesnig gewesen sein. Der, damals erst wenige Wochen im Amt, präferiert zu dieser Zeit bereits die andere Badvariante: Das Karawankenbad. Und verkauft seine Präferenz geschickt: Nach einem Kassasturz, den er öffentlich macht, ist klar: Die Stadt muss sparen. Damit geraten die reservierten 50 Millionen Euro für das „Sport- und Vitalbad“ ins Wanken. Denn Liesnigs Variante soll nur 35 Millionen Euro (mit 50-Meter-Becken rund 43 Millionen) kosten. Und: Durch die modulare Bauweise des Bads würde das 7,5-Millionen-Euro teure Interimsbad, das die Stadt bauen wollte, um den Bürgern wieder rasches Baden zu ermöglichen, wegfallen. Die öffentliche Meinung beginnt daraufhin, in Richtung Karawankenbad zu kippen. Was bei Scheiders Strategen offenbar für Nervosität sorgte. Und in besagtem E-Mail gipfelte. Das sich zu einem Bumerang entwickeln sollte.

Strafrechtliche Relevanz?

Denn: Es gibt keinen Gemeinderatsbeschluss für ein modulares „Sport- und Vitalbad“. Der Vertrag mit der Porr lautet vielmehr auf „Nucleus-Bad“. Und dieser Nucleus sollte aus folgenden Bereichen bestehen: Sportbecken, Familienbad, Sauna- und Wellnesseinrichtungen, einem Fitnesscenter und einem Gastro-Angebot. Der Wunsch zur modularen Bauweise wurde erst später per besagtem E-Mail kundgetan (siehe dazu das Update am Textende). Was den Steuerzahler nun einiges kosten könnte. Nebstbei: Entstünde der Stadt ein Vermögensschaden, käme der Sache möglicherweise rechtliche Relevanz zu, da keine Gemeinderatsbeschlüsse für ein modulares „Sport- und Vitalbad“ vorliegen.

750.000 Euro auf dem Spiel

Denn die Stadt befindet sich derzeit in der Endabrechnungsphase mit den beiden Bauunternehmen. Weil das Karawankenbad siegreich aus dem Rennen hervorging, musste folglich die Innovationspartnerschaft mit Porr und Kollitsch beendet werden. Und die wollen nun Geld sehen. Insgesamt 750.000 Euro beträgt das Abschlagshonorar nach Phase 1 des Vertrags (siehe Faksimile). Aber nur für den Fall, dass die beiden Unternehmen die in der Vereinbarung definierten Leistungen erbracht haben (siehe Vertrags-Abbildungen). Und hier spießt es sich.

Jost übergab Wiedenbauer-„Prüfbericht“ an Kontrollamt

Während das Kontrollamt der Stadt, das einen Prüfauftrag über die Phase 1 der Innovationspartnerschaft erhielt, zur Auffassung gelangte, dass wesentliche Leistungen der Bauunternehmen nicht erfolgten, kommt der von der Stadt beauftragte Rechtsanwalt Martin Wiedenbauer offenbar zur Ansicht, dass 500.000 Euro auf jeden Fall zu zahlen seien. Wiedenbauer hatte dazu einen eigenen „Prüfbericht“ verfasst, den er offensichtlich Magistratsdirektor Peter Jost übermittelte. Der übergab diesen dann als Rohfassung im Februar 2022 an das Kontrollamt. Vor diesem Hintergrund ist zu erwähnen, dass das Kontrollamt eigentlich unabhängige und unbeeinflusste Prüfungen durchführen können sollte. Ein weiterer Aspekt erscheint nennenswert: Wiedenbauer war auch jener Anwalt, der die Ausschreibung des 50-Millionen-Projekts juristisch begleitete.

Begründung Wiedenbauers für Mehraufwand birgt Zündstoff

Die insgesamt 750.000 Euro sind in drei Tranchen fällig. 250.000 Euro musste die Stadt bereits zu Beginn der Innovationspartnerschaft bezahlen. Jedenfalls wertete das Kontrollamt die erbrachten Vorleistungen der Bauunternehmen viel kritischer als der Wiedenbauer-Bericht, der sich auf einen Sachverständigen stützt. Das Kontrollamt sah beispielsweise folgende Forderungen aus dem Vertrag als nicht erbracht oder nicht vorgelegt an: Die sogenannte „Masterplanung“ sei nicht vorhanden gewesen; ebenso die Ausformulierung der Wettbewerbsvergabe; ein Schall- und Immissionsgutachten sei nicht vorgelegt worden; das gelte auch für das geforderte Verkehrsgutachten und das hydrologische Bodengutachten. Es bemängelt weiters, dass ein Konzept für Förderungen fehle und die rechtliche Struktur für das Projekt nicht vorliegen würde. Auch in anderen Punkten seien nur teilweise Erledigungen erfolgt. Geht man nach der Einschätzung des Kontrollamts, entsteht der Eindruck, die 750.000 Euro Abschlagszahlung seien nicht gerechtfertigt. Wiedenbauer allerdings kommt zum Schluss, man solle sich über die restlichen 250.000 Euro – die 500.000 seien ja jedenfalls zu bezahlen – in irgendeiner Weise einigen, um einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu entgehen. Und seine Begründung birgt Zündstoff: Der Anwalt wiegt nämlich die Minderleistungen der Bauunternehmen damit auf, dass durch das E-Mail des Bürgermeisterbüros mit dem Wunsch nach der modularen Bauweise den Unternehmen Mehraufwand entstanden sei.

Ein E-Mail um 25.000 Euro

Patrick Jonke, Bürochef des Bürgermeisters, bestreitet besagtes E-Mail nicht. Dementiert aber vehement, dass das E-Mail im Alleingang an die Bauunternehmen verschickt wurde. Jonke: „Das passierte alles im Einvernehmen mit der Arbeitsgemeinschaft.“ Also im Wissen der ÖVP und der SPÖ. Das bestätigt ÖVP-Clubobfrau Julia Löschnig, dem widerspricht allerdings Liesnig (siehe Update am Textende). Wer aber auch immer dafür verantwortlich ist: Das E-Mail kostete mindestens 25.000 Euro. Die wollen die Bauunternehmen jetzt nämlich für die modulare Planung haben. Aber das ist noch nicht alles: Insgesamt soll die Stadt, abgesehen von den bereits bezahlten 250.000 noch 440.000 Euro überweisen. 60.000 würde man der Stadt nachlassen.

Bleibt die Frage, ob die bereitgestellten Unterlagen und Leistungen der beiden Unternehmen ob der aufgezeigten Kontrollamts-Mängel 690.000 Euro wert sind? Und warum der Magistratsdirektor dem Kontrollamt einen Prüfbericht Wiedenbauers übergeben hat? Die geprüfte Stelle war nämlich seine: Die Magistratsdirektion.

Update 15:36 Uhr

ÖVP-Clubchefin Julia Löschnig erklärt auf Anfrage von Mediapartizan.at, dass die Rathaus-Arbeitsgemeinschaft bestehend aus Team Kärnten, der SPÖ und der ÖVP über die Anforderungsänderung an die Bauunternehmen informiert war. „Auch die SPÖ war in Kenntnis“, sagt Löschnig. Es habe keinen Alleingang des Team Kärnten gegeben. „Es war auch beim Sport- und Vitalbad klar, dass rasch eine Bademöglichkeit her musste. Deshalb sollten auch Porr und Kollitsch in Modulbauweise planen.“

Update Mittwoch 5. Oktober

Liesnig allerdings widerspricht in diesem Punkt den Angaben Löschnigs. Er sagt, dass „es nicht stimmt, dass die Arbeitsgemeinschaft darüber informiert war, dass ein Auftrag an die Innovationspartner gehen sollte, das Vitalbad in modularer Bauweise zu planen. Der Vizebürgermeister erklärt, dass das Sport- und Vitalbad quasi am Stück zu planen gewesen sei. „Von modularer Bauweise war überhaupt keine Rede.“ Eine Presseaussendung der Arbeitsgemeinsschaft aus TK, SPÖ und ÖVP vom November 2021 scheint ihm Recht zu geben. Aus dieser geht folgender Satz hervor: Das Dreigestirn habe sich „auf die sehr genaue Prüfung des Vitalbad-Konzeptes plus zusätzlichen temporären Schwimmbades und eines modularen Projektes in schrittweiser Bauweise der Stadtwerke als Plan B“ geeinigt, wie die „Kleine Zeitung“ Anfang November 2021 schrieb. Die Stadtwerke würden ein Alternativprojekt sowohl für den Standort beim Minimundus als auch am Südring prüfen.

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Foto(s): Eigene

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