Überstunden-Gutachten im Fall Koroschetz könnte Causa Jost noch spannend machen

Scheider (re.) mit Jost und Koroschetz (li.) 2013, (c) D. Raunig
Scheider (re.) mit Jost und Koroschetz (li.) 2013, (c) D. Raunig

Überstunden sind im Rathaus zu Klagenfurt eine beliebte Sache. So beliebt, dass im Magistrat mehrere Ermittlungen deshalb laufen. Die Verfahren richten sich gegen Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten), Ex-Magistratsdirektor Peter Jost und Scheider-Büroleiter Patrick Jonke. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Nun wurden Mediapartizan Dokumente zugespielt, die ebenso das Thema Überstunden behandeln. Es dreht sich dabei um eine “dienstrechtliche Beurteilung der Amtsführung und des Amtsverständnisses” der ehemaligen Magistratsdirektorin Claudia Koroschetz aus dem Jahr 2014. Verfasst hat das Papier der Innsbrucker Uni-Professor Gert-Peter Reissner.

Koroschetz war Magistrats-Chefin von 2010 bis 2013. In dieser Zeit war Peter Jost als Magistratsdirektor suspendiert, er kam 2013 rehabilitiert wieder zurück. Koroschetz´ Bestellung war bis 30. September 2013 befristet. Gegen diese Befristung ging sie gerichtlich vor, musste aber schlussendlich weichen. Heute leitet die Juristin die Abteilung Bevölkerungswesen.

Faksimile aus dem Reissner-Papier: “‘Doppelabrechnung'”

Uni-Professor: Fehlerhafte Überstundenabrechnung

In Reissners Begutachtung spielen Koroschetz’ Überstunden eine brisante Rolle. Er leitet mittlerweile das Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Uni Graz. Reissner erklärt in dem Papier, dass Koroschetz’ geleistete Überstunden verrechnet habe, die sie nicht verrechnen hätte dürfen. Diese sind ihr von der Personalverrechnung des Magistrats auch ausbezahlt worden. Reissner urteilt in dem 29-Seiter, dass Koroschetz “in Bezug auf die fragliche Abrechnung zumindest grob fahrlässig” vorgegangen wäre.

“7.444,72 zu viel für Überstunden ausbezahlt”

Der damaligen Magistratsdirektorin seien, das errechnete das Personalbüro am 11. Juni 2014, rund 232 Überstunden zu viel überwiesen worden. Sowohl die Begutachtung Reissners als auch das Schreiben der Personalabteilung liegen Mediapartizan vor. Auf Seite drei des Schreibens des Personalbüros heißt es wörtlich: “Da Frau Mag. Koroschetz seit Oktober 2010 alle Überstunden ausbezahlt wurden, wurden im Jahr 2011 88 Überstunden, im Jahr 2012 82,75 Überstunden und im Jahr 2013 61,5 Überstunden zu viel abgegolten und somit Frau Mag. Koroschetz im Zeitraum Jänner 2011 bis September 2012 ein Betrag in der Höhe von 7.444,72 zu viel für Überstunden ausbezahlt.”

Reissner: Durch Zulage schon abgegolten

Reissner geht von einer “‘Doppelabrechnung'” aus. Er meint, dass Koroschetz bereits eine Zulage für Mehrleistungen erhalten habe. “Koroschetz wurde mit Beschluss des Stadtsenates (…) unter anderem eine Verwendungszulage in sinngemäßer Anwendung des § 61 Abs. 6 K-StBG 1993 (…) zuerkannt”, erklärte damals das Personalbüro dazu. StBG ist das Kürzel für Kärntner Stadtbeamtengesetz.

Mit der Mehrleistungszulage seien Überstunden zum Teil abgegolten, so der Universitäts-Professor. Reissner folgert, “dass für den Fall, dass eine Mehrdienstzulage gewährt wird und gleichzeitig Überstunden finanziell abgegolten werden, bei dieser Abgeltung jedenfalls – je nach Einstufung – bis zu zehn Überstunden pro Monat nicht berücksichtigt werden dürfen.” Es geht in der Begutachtung um sogenannte “gekappte Zeiten”, also Überstunden, die mit der normalen Gleitzeit nicht konsumierbar sind. Das Personalbüro resümmiert, dass Koroschetz pro Monat acht Überstunden nicht hätten ausbezaht werden dürfen. Diese hätten am Gleitzeitguthaben-Konto verbleiben müssen.

Die Genehmigung durch Scheider

Allerdings hatte Koroschetz eine Genehmigung des damaligen und heutigen Bürgermeisters Christian Scheider (Team Kärnten). Den nimmt Reissner aber aus der Verantwortung. Scheider sei “offensichtlich nicht über das Verhältnis der Zulage für ,quantitative Mehrleistungen’ und der Abgeltung für die ,ersten Überstunden’ informiert” worden. Mit “ersten Stunden” meint der Experte eben, dass abhängig von der Gehaltshöhe bis zu 10 Stunden “im Topf” bleiben müssten und nicht ausgezahlt werden dürften. Reissner erklärt, dass Koroschetz Schadenersatz pflichtig sei und die zu viel bezahlten (geleisteten) Überstunden zurückzahlen müsse. Koroschetz wollte auf Anfrage nichts zu der damaligen Angelegenheit sagen.

Faksimile aus dem Reissner-Papier: “Schaden ersatzpflichtig”

Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was will Mediapartizan mit einer zehn Jahre alten Geschichte? Nun, sie hat möglicherweise einen Bezug zur Gegenwart. Scheider gewährte nämlich nicht nur Koroschetz eine Auszahlung der “gekappten Zeiten”. Am 12. März 2014 kam auch Ex-Magistratsdirektor Jost in den Genuss, die Überstunden ausbezahlt zu bekommen.

Jost handschriftlich: 10 Stunden sollen abgezogen werden

Und wie Koroschetz “in sinngemäßer Anwendung” die Zulage nach STBG § 61 Abs. 6 gewährt wurde, findet sich auf Josts Gehaltszettel auch eine solche Zulage:

Dezember-2022-Gehaltszettel von Jost

Auch Jost hatte die Genehmigung von Scheider. Der Ex-Magistratsdirektor sorgte am 12. März 2014, nur wenige Monate nach seiner Rückkehr, mit einer handschriftlichen Notiz vor, dass 10 Überstunden der “gekappten” und “außer Rahmen” stehenden Überstunden pro Monat abzuziehen seien. Er will bekanntlich über 65.000 Euro aus Überstundenzuschlägen von der Stadt Klagenfurt haben. Die Frage ist nun, was mit diesen “gekappten” Überstunden seit 2014 passiert ist? Er betont auf Anfrage, dass er “nie etwas rechtswidrig erhalten” habe. Offenbar im Widerspruch zu Reissner erklärt Jost, selbst gewiefter Verwaltungsjurist, dass die Zulagen von Klagenfurter Stadtbediensteten “keine Überstunden-Elemente” enthielten und für Rathaus-Angestellte lediglich die Vertragsbedienstetenordnung (VBO) zähle.

Aufschluss wird wohl erst der anstehende Rechnungshofbericht bringen.

9 Kommentare

  1. Ich halte es für absurd, dass in Führungspositionen Überstunden gewährt bzw. ausbezahlt werden: dafür gibt es Mehrleistungspauschalen bzw. ein entsprechendes Einkommen. Ich jedenfalls habe in meinem fast 50-jährigen Arbeitsleben keine einzige Überstunde “geschrieben” bzw. berechnet ;-).

    • Sehr geehrter Herr Mayr, Sie übersehen, dass Sie sich im Zulagen- und Überstundenparadies des Magistrats Klagenfurt befinden (wie das im Landesdienst aussieht, müsste man auch einmal aufarbeiten). Unkündbare Vertragsbedienstete (die, wie man jüngst erfahren mußte, auch noch eine Aufstockung ihrer ASVG Pension auf Beamtenniveau durch die finanzmarode Stadt Klagenfurt erfahren), die de-facto Beamtenprivilegien geniessen und offenbar keine Verantwortung tragen müssen – wo ist die Verantwortung des Herrn Magistratsdirektors Jost beim Stadtkassenskandal? Unter seiner Führung hat die Stadt dabei 3 Millionen (!!!) verloren. Wieviele Kindergartenplätze hätte man damit finanzieren können??? Oder Pflegepersonal??? Gibt genug weitere solcher Beispiele, wo auch Politiker zur Verantwortung zu ziehen wären… Eine Führungskraft in der Wirtschaft wäre entlassen und auf Verletzung der Sorgfaltspflicht geklagt und schadensersatzpflichtig geworden. Es ist ein erbärmlicher und bedauernswerter Zustand, im dem sich diese Stadt befindet, dieser Zustand geht auf Kosten von uns Gebühren- und Steuerzahlern. Aber für Kindergartenpersonal, würdige Altenpflege oder moderne Strassen ist kein Geld da….

      • Sehr geehrter Herr Ingo,

        ich übersehe es ja nicht, sondern halte es für absurd. Derartige Vertragsverhältnisse sollte/düfte es auch bei der öffentlichen Hand nicht geben!

        • Das “übersehen” war hier durchaus sarkastisch gemeint, aber das wissen Sie natürlich. Die geschützte Werkstätte öffentliche Verwaltung ist eine Komfortzone für Fehlleistungen ohne große Konsequenzen fürchten zu müssen (Ausnahmen bestätigen die Regel, Exekutive, Gesundheit, Justiz und ähnliche öffentliche Dienste nehme ich zum weitaus größten Teil dezidiert aus – in der Verwaltung sitzen die größten Geldvernichter). Diese eklatanten Missstände mit Millionen an verbrannten Euro sind schon seit Jahren nicht zu übersehen, aber die fehlende Politikerhaftung ist ein Grundübel, das behoben gehört. Soweit wird es natürlich nie kommen, denn Politiker werden nie ihre eigene Haftung für Misswirtschaft beschließen.

  2. Ich halte es für absurd, dass in Führungspositionen Überstunden gewährt bzw. ausbezahlt werden: dafür gibt es Mehrleistungspauschalen bzw. ein entsprechendes Einkommen oder an die Erreichung von Zielen gebundener Boni. Denn Leistung kann von den Verantwortlichen beurteilt werden. Ob ein Vorgesetzter dagegen angegebene Überstunden tatsächlich geleistet hat, wird ein Mitarbeiter wohl kaum
    hinterfragen wollen – es sei denn, er betätigt sich als Whistleblower.

    Ich jedenfalls habe in meinem fast 50-jährigen Arbeitsleben keine einzige Überstunde “geschrieben” bzw. berechnet ;-).

  3. Im Klagenfurter Rathaus regieren nur Zwei: die Gier und der Wahnsinn.

    frechheit und unverfrorenheit würde ich noch zusätzlich anmerken wollen, ein augiasstall sondergleichen !

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