
Was bisher bekannt ist: Nach einer Beschwerde der Klagenfurter SPÖ bei der Kärntner Gemeindeaufsicht, langt am 17. Juni 2025 ein brisantes Papier im Rathaus der Kärntner Landeshauptstadt ein. Die SPÖ hatte sich aufgrund von Mediapartizan-Recherchen an die Behörde gewandt, um erheben zu lassen, ob Bürgermeister Christian Scheider (FSP) einen bekannten Kärntner Anwalt in der sogenannten Causa Jost hätte beauftragen dürfen oder nicht.
Beauftragung des Anwalts fällt nicht unter laufende Verwaltung
Die kurze Antwort: Nein. Die Aufsichtsbehörde erklärte in ihrer Stellungnahme, dass in Paragraf 69 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung (K-AGO) eindeutig definiert sei, wann ein Bürgermeister einen Rechtsanwalt im Alleingang engagieren dürfe: Im Rahmen der laufenden Verwaltung; bei Einbringung von und Einspruch gegen Mahnklagen bis 5000 Euro; in Verfahren, in denen die Stadt beklagte Partei ist; und bei Revisionen – sofern der Bürgermeister belangte Behörde ist. Nichts davon treffe auf Scheiders Beauftragung des Rechtsanwalts zu.
Nun droht der Causa weiterer Sprengstoff: Nach wochenlangen Recherchen von Mediapartizan.at liegt die Vermutung nahe, dass Scheider schon im September 2024 geahnt haben könnte, dass die Beauftragung des Anwalts rechtlich problematisch werden könnte, das Bürgermeisterbüro aber weiteres Steuergeld ausgab, um die mehr als 53.000 Euro an Honoraren für den Anwalt zu legitimieren. Und das könnte so gelaufen sein:
Das E-Mail nach Graz
Ende September 2024 schickt Scheiders damaliger Büroleiter Patrick Jonke ein E-Mail an eine Grazer Anwaltskanzlei. Die Kanzlei ist, genau wie der Kärntner Anwalt (dessen Leistungen unstrittig sind), mit der rechtsfreundlichen Begleitung der Stadt rund um die gescheiterte Dienstverlängerung von Ex-Magistratsdirektor Peter Jost beschäftigt. Jonke will in dem E-Mail offene Fragen zur Beauftragung von Rechtsanwälten gelöst haben. Also übersetzt: Ob Scheider den Kärntner Anwalt im Rahmen der laufenden Verwaltung beauftragen durfte oder nicht? Den Anwalt suchte Scheider bereits Ende 2022 aus. Engagierte ihn aber ohne Stadtsenatsbeschluss.
Zuvor, und zwar genau am 10. September 2024, hatte Scheider Post von der Aufsichtsbehörde erhalten. Der Sechs-Seiter ist eine Antwort auf Scheiders eigene – sinngemäß zusammengefasste – Frage an die Aufsicht, wann eine Beauftragung von Anwälten für „Verwaltungs-, Zivil- und Straf- mitsamt Privatanklageverfahren (aktiv oder passiv) durch den Bürgermeister alleine möglich“ sei und wann „es des Beschlusses eines Kollegialorganes“ bedürfe? Und die Replik der Aufsichtsbehörde war schon damals gleich klar wie neun Monate später im Juni 2025. Nämlich: Im Rahmen der laufenden Verwaltung; bei Einbringung von und Einspruch gegen Mahnklagen bis 5000 Euro; in Verfahren, in denen die Stadt beklagte Partei ist; und bei Revisionen – sofern der Bürgermeister belangte Behörde ist.
Beauftragung „rechtswidrig“
Mehr noch: Die Aufsicht teilte Scheider schon am 10. September mit, dass „die Beauftragung von Rechtsanwälten und Rechtsgutachten durch den Bürgermeister, die nicht auf einer Ausnahmebestimmung des [Paragrafen] 69 Abs. 2 [Klagenfurter Stadtrecht] basiert, rechtswidrig ist“. Der Vollständigkeit halber ist zu sagen, dass Scheiders Anfrage an die Aufsicht auch damit zu tun hatte, dass ihm der Gemeinderat im Februar 2023 auferlegte, schon bei Rechtskosten von 500 Euro, die im Zusammenhang mit der Jost-Verlängerung stehen, den Stadtsenat fragen zu müssen. Diese Regelung hob die Gemeindeaufsicht als rechtswidrig auf.
Tausende Euro Mehrkosten
Dennoch: Auch wenn man über einen kausalen Zusammenhang zwischen der Antwort der Gemeindeaufsicht und der Beauftragung der Grazer Kanzlei nur spekulieren kann – einen zeitlichen gibt es jedenfalls. Denn Jonke, immerhin Scheiders engster Mitarbeiter, schickte nicht nur Ende September 2024 ein Mail über die Pack, er wendet sich auch einen Monat später wieder an die Grazer. Diesmal werden der Kanzlei die mehr als 53.700 Euro an Rechnungen des Kärntner Anwalts übermittelt. Jonke will wissen, ob die Honorare als laufende Verwaltung durchgehen und gezahlt werden können?
Zwar befindet sich die Grazer Kanzlei in einem bestehenden Betreuungsverhältnis zur Stadt Klagenfurt. Die 53.700 Euro des Kärntner Anwalts als laufende Verwaltung zu qualifizieren, bedeutet aber Mehraufwand. Der natürlich zu bezahlen ist. Die Kanzlei beschäftigt sich eingehend mit der Judikatur, Literaturrecherchen zum Thema, Stellungnahmen und den Rechnungen selbst. In Summe macht die Legitimierung der Rechnungen mehrere Tausend Euro an Steuergeld aus. Scheider selbst ist es, der folglich die Anwaltskosten zur Überweisung abzeichnet.
Die Stadt ließ den Anwalt Monate auf sein Honorar warten. In dieser Zeit waren die Rechnungen offenbar „vier bis fünf Mal“ umgeschrieben worden, wie eine in das Geschehen involvierte Person berichtet. Und dennoch half der Einsatz der Grazer, die Honorare als laufende Verwaltung zu qualifizieren, bis dato nichts. Zwar entwarf die Grazer Kanzlei am 15. April des heurigen Jahres noch ein 3-seitiges Kurz-Gutachten, dass die „Beauftragung rechtlicher Beratungsleistungen außerhalb gerichtlicher Verfahren kein außerordentliches Vorkommnis“ darstelle, was jedoch, wie man seit 15. Juni weiß, von der Gemeindeaufsicht ganz anders gesehen wird.
An Scheider regressieren?
Nun ließ Scheider einen Bescheid über die abträgliche Antwort der Gemeindeaufsicht anfordern. Den er wohl um den Preis weiterer externer Rechtskosten bekämpfen wird. Bleibt es dabei, dass er den Kärntner Anwalt ohne Stadtsenatsbeschluss nicht hätte beauftragen dürfen, wie es das Gesetz vorsieht, gibt es laut Gemeindeabteilungs-Chef Stefan Primosch nur drei Möglichkeiten zur Lösung: 1. Der Gemeinderat repariert die Beauftragung nachträglich; 2. Der Anwalt gibt das Geld zurück. Oder 3: Die Stadt regressiert sich an Scheider.
Das Bürgermeisterbüro erklärte auf Anfrage im Juli, dass die Ausführungen der Gemeindeaufsicht „für die Stadt nicht nachvollziehbar“ seien. Ein renommierter Verfassungsjurist „bestätigte vorab, dass die Beauftragung der Rechtsberatungen im Rahmen der laufenden Verwaltung erfolgen“ könne. Zwischenzeitlich liege „der Stadt ein weiteres Rechtsgutachten“ des „renommierten Verfassungsjuristen“ Peter Bußjäger vor, „dass, die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes als Angelegenheit der laufenden Verwaltung grundsätzlich zulässig ist’“.
Lesen Sie morgen: Wie nervös man im Magistrat wegen der Rechtskosten war, wie hoch die Aufwendungen für den Kärntner Anwalt wirklich waren, was die ÖVP damit zu tun hat, wer einen Aktenvermerk anlegte und welche Person eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig abgezeichnet haben soll.
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